ein
Brief ,
mehrere
Antworten
und
fünf
Anhänge
-
Ein
kleines
Lehrstück vom Sommer 2004 –
Am
25.6.2004 erfuhr ich in einer Beratung der PDS, in
Mecklenburg-Vorpommern solle
Hel-mut Holter (PDS) für die Umsetzung von Hartz IV zuständig sein.
Nach
anfänglicher „Weige-rung“ habe er sich – aufgrund von Argumenten aus
Vereinen
und Verbänden – dazu bereit er-klärt.
In der gleichen Beratung wurde die Europa- und Kommunalwahl ausgewertet und unter an-derem die positive Wirkung der Kampagne des PDS-Landesvorstandes „Von 331 Euro kann man nicht leben!“ hervorgehoben.
In der Beratung benannte ich das als einen Widerspruch und äußerte meine Befürchtung, in absehbarer Zeit werde die PDS mit Hartz IV identifiziert, wenn einer ihrer Minister dafür zu-ständig ist.
Ich erhielt daraufhin u.a. die Information, der PDS-Landesvorstand bzw. der Landesvorsitzen-de, Peter Ritter, habe einen Brief an MP Ringstorff und SPD-MV-Chef Backhaus geschrie-ben, in dem beide gebeten werden, mit der Umsetzung von Hartz IV keinen PDS-Minister zu beauftragen.
Am Sonnabend, den 26.6.2004 saß ich zu Hause
und
wurde mit diesen Informationen nicht fertig. Ich hatte zum einen eine
Ahnung,
was da auf Menschen zukommt, weil einer meiner Freunde von Hartz IV
direkt
betroffen ist und wir beide schon einmal, als die Pläne erstmals
veröffentlicht
wurden, die Konsequenzen für ihn und seine Familie „durchgespielt“
hatten. Zum
anderen waren mir deswegen auch die grundsätzlichen sozialen Folgen
dieses
Sozialkahl-schlags in Umrissen klar. Zudem erinnerte ich mich an zwei
Papiere,
die ich im Januar 2003 angefertigt hatte, als es mit der „Hartzerei“
begann.
Und ich erinnerte mich, dass sich damals nur ganz wenige dafür
interessierten.[1]
Nach
langem Hin- und Hersinnen rang ich mich letztlich dazu durch, an den
Minister
einen Brief zu schreiben. Das Formulieren kostete mich die zweite
Hälfte des
Sonnabends.
Am
Sonntag, eine Nacht drüber geschlafen, prüfte ich den Brief erneut,
fand ihn
immer noch richtig und schickte ihn per e-mail ab. Ich wollte, dass der
Minister am Montag früh den Text hat , um rechtzeitig reagieren zu
können.
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Die
e-mail, gesendet To: poststelle@am.mv-regierung.de
/ mit Cc: helfried.liebsch@am.mv-regierung.de
/ Sent: Sunday, June 27, 2004 10:44
AM hatte folgenden Wortlaut:
Sehr geehrte Damen und Herren,
bitte geben Sie den angehängten Brief unverzüglich an Herrn Minister Holter weiter. Ich schicke ihn heute, am Sonntag, den 27.6. vorab, damit der Minister rechtzeitig informiert ist und werde ihn morgen auf normalem postalischen Wege abschicken.
Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung
Mit freundlichen Grüßen
Peter
Kroh
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Der
angehängte Brief an den
Minister hatte folgenden Wortlaut:
Rotbuchenring
23
Tel/Fax (
0395 ) 368 55 64
e-mail:
kroh.peter@freenet.de
17033
Neubrandenburg
27.06.2004
Ministerium
für Arbeit, Bau und Landesentwicklung
Herrn
Helmut Holter
Schlossstraße
6-8
19053
Schwerin
Sehr
geehrter Genosse Minister, lieber Helmut,
als parteiloser
PDS-Sympathisant schreibe ich Dir diesen Brief zum einen, weil mir
Fragen nach
dem Tun und Lassen der PDS-Minister gestellt werden, die ich nicht alle
beantworten kann.
Zum anderen schreibe
ich diesen Brief aus tiefer Sorge und aus einem
Mit-Verantwortungsgefühl mit
dem Ziel, auf einen eklatanten Widerspruch aufmerksam zu machen, daran
5 Fragen
zu knüpfen und so (hoffentlich) eine Fehlentscheidung verhindern bzw.
korrigieren zu können.
Am Kabinettstisch der Regierung in Mecklenburg-Vorpommern hat es die Entscheidung gegeben, Hel-mut Holter wird der verantwortliche Minister für die Umsetzung von Hartz IV in unserem Bundesland . Nach anfänglicher Weigerung des PDS-Ministers hat er am Ende seine Zustimmung dazu gegeben. So wird ein PDS-Mitglied also verantwortlich sein, dass alle vom so genannten Arbeitslosengeld II in M-V Betroffenen das Verarmungs- und Armutsgeld von 331 € pünktlich ausgezahlt bekommen.
Zur gleichen Zeit führt der PDS-Landesvorstand M-V eine berechtigte und im jüngsten Kommunal-wahlkampf schon erfolgreiche Kampagne gegen die marktradikale Neuordnung (d.h. Zerschlagung) des Sozialrechts unter dem Thema: „Von 331 € kann man nicht leben“.
Die Fragen:
Will also das PDS-Mitglied Holter als Minister letztlich verantwortlich dafür zeichnen, dass viele tau-send Menschen in M-V mit einer ungerechten Rechtsverordnung in die Armut gestoßen werden und so mithelfen, dass die in der Bevölkerung nicht mehrheitsfähige Agenda 2010 weiter realisiert wird ?
Müssen (und werden!) das nicht
Betroffene, ihre Partner, Freunde und Kinder sowie zigtausend Men-schen
mit
ganz normalem Gerechtigkeitsgefühl als zynisch, machtversessen und
machtvergesssen bewerten ? [Auf die Frage
„Haben Sie den Eindruck, der Bundesregierung liegt die soziale
Gerech-tigkeit
am Herzen?“ antworteten in einer repräsentativen Befragung im Frühjahr
2003 63
% der Be-fragten mit „NEIN“. Im Frühjahr 2004 waren es 73%]
Wäre es nicht an der Zeit, dass Du, lieber Helmut, aus Deiner unmißverständlichen, berechtigten und mehrfach laut geäußerten Kritik an Hartz IV die demokratisch-sozialistische und verantwortungsbe-wußte Konsequenz ziehst : „Diese sozialpolitische Schweinerei ist mit mir nicht zu machen! Bei die-sem radikalen Verelendungsprogramm für Millionen Menschen in der ganzen Bundesrepublik ist für mich das ‘Ende der Fahnenstange‘ erreicht. Aus Gewissengründen verweigere ich mich dieser politi-schen Entscheidung “ ?
Würde
eine solche Haltung, öffentlich gemacht, nicht eher helfen, dem
verbreiteten
Verdruß in der Be-völkerung Ziel und Richtung zu geben und das Gesetz
zu kippen
als den tatsächlichen Rücktritt des Ministers auszulösen ? Wo doch
gegenwärtig
weder die Finanzierung noch die Verwaltung dieses An-schlags auf das
Lebensniveau vieler Frauen, Männer und Kinder gesichert ist, das Gesetz
selbst
unter (nicht betroffenen) Experten umstritten ist, die Kirchen
mahnend-kritische
Worte finden und sogar namhafte CDU-Politiker ( aus nachvollziehbaren
wahlkampf-taktischen Gründen) Bauchgrimmen ob der sozialpolitischen
Folgewirkungen haben .
Können wir als Linke, als demokratisch
und sozialistisch Denkende und Fühlende mithelfen, dass zigtausend
ohnehin
schon sozial benachteiligte Menschen in
MV noch weiter gedemütigt, noch mehr be-schämt und noch stärker
drangsaliert
werden und so zugleich die
gigantischen Profite der sowie so schon reichlich Vermögenden weiterhin
gesichert werden ? Oder müssen wir uns dem verweigern?
Sehr geehrter Herr Minister, lieber
Helmut,
an einer raschen und ehrlichen Antwort
bin ich sehr nachhaltig interessiert.
Ich hoffe, in dieser Frage ist das
letzte Wort noch nicht gesprochen und ich glaube, es ist absehbar, dass
dieses
Thema auch in der Öffentlichkeit noch nicht „abgehakt“ ist.
Gegebenenfalls werde ich mich, nachdem
Du sicherlich in der gerade begonnenen Woche meine Fragen beantworten
kannst ,
an der weiteren öffentlichen Diskussion beteiligen.
Bitte versteh das nicht als
Drohgebärde, sondern als Ausdruck meines Bemühens eine falsche und - wie ich glaube – für die PDS nachteilige
und schädliche Entscheidung doch noch zu verhindern.
Mit
freundlichen Grüßen und in Verbundenheit
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Die e-mail, [Sent: Sunday, July 04, 2004 10:47 AM To] Alexa Wien ; Gerd Walther ; Sahra Wagen-knecht ; Jürgen Tremper ; Beate Thieme ; Jasmin Stein ; Ilja Seifert ; Birgit Schwebs ; Gabi Schulz ; Karin Schmidt ; Peter Ritter ; Friedemann Reinhold ; Karsten Neumann ; Dr. Detlef Nakath ; Cati Muth ;Hans Modrow ; Heidemarie Lüth ; Regine Lück ; Gesine Loetzsch ; Ma-rianne Linke ; Rolf Kutzmutz ; Regine Kroh ; Beate Kroh ; Torsten Koplin ; Bernd Ihme ; Hans Peter Heuwold ; Rene Heilig ; Angelika Haas ; Angelika Gramkow ; Wolfgang Gehrcke ; Trau-del Felfe ; Herbert Doberenz ; Martina Bunge ; Karin Breitenfeldt ; Steffen Bockhahn ; Andreas Bluhm ; Lothar Bisky ; Gerhard Bartels ; Regina Bärens / lautete so:
Liebe Genossinen, liebe Genossen, Freunde und Sympathisanten,
ich möchte Euch alle darüber
informieren, dass ich am 27.6.2004 (vorab per e-mail) einen Brief an
Minister
Helmut Holter zum Thema Hartz IV schickte, um auf einen Widerspruch
aufmerksam
zu ma-chen und fünf Fragen dazu zu stellen. Ich hoffte , so eine
Fehlentscheidung verhindern bzw. korrigie-ren zu können. [Im
Anhang ist der Brief nachlesbar].
Bis heute erhielt ich keine Antwort.
Deshalb möchte ich hiermit versuchen, eine öffentliche Diskussion
auszulösen, denn die Sache ist (mir) zu ernst, als dass sie mit
Aussitzen,
einem drüber Hinweggehen oder anderen Formen der Nichtbeachtung zu
lösen wäre.
Ich habe nun meinen
"Schriebs" als Offenen Brief an Helmut Holter an die Presse gegeben ,
in der Hoffnung die öffentliche Diskussion mit zu befördern. Euch bitte
ich,
sofern ihr mit meiner Sicht der Dinge übereinstimmt, die Argumente und
Fragen
für Eure Aktivitäten gegen Hartz IV zu nutzen.
Was
bewegt
mich dabei?
1.)
allgemein möchte ich festhalten und erinnern:
- die Schröder-Regierung erfüllt
kontinuierlich die Vorgaben der Industrie zum Schaden der abhängig
Beschäftigten (besonders erhellend das kürzliche Schulterklopfen von
BDI-Chef
Rogowski im Palast der Republik "Sie sind auf dem richtigem Weg, Herr
Bundeskanzler
, halten Sie durch auch gegen Widerstände aus den eigenen Reihen!") ;
- Hartz IV (durch die übergroße
Parteienkoalition von SPDCDUFDPCSUBü9oGRÜ zum 1.Januar 2005 in Kraft
gesetzt )
schafft eine Situation, in der die politischen und sozialen Folgen
dieser
Politik der nächsten (CDU-) Bundesregierung wie reife Früchte in den
Schoß
fallen, weswegen jetzt, heute, lange vor dem 1.1.2005 Widerstand not
tut und
Umkehr zu organisieren ist ;
- es gibt aufsehenerregende Bedenken
von Juristen und Datenschützern, dass Hartz IV gegen das Grundgesetz
der
Bundesrepublik Deutschland verstößt und die dazu derzeit entwickelten
15-seitigen Fragebögen datenschutzrechtliche Grundsätze prinzipiell
zerstören ;
- Sozialraub auf Kosten großer Teile
der Bevölkerung beschädigt die Zukunftsfähigkeit und –chancen vieler
Menschen
und des Landes ;
- die radikale Verschlechterung der
Lebensumstände von Millionen Menschen und die Zerschlagung des
Sozialstaates -
das wird uns als "notwendige Reform" verkauft , würden die abhängig
Beschäftig-ten in gleicher Weise die Erhöhung von Tarifen und die
Ausweitung
von Mitbestimmungsrechten for-dern – dann wäre sofort vom "Klassenkampf
der Roten" die Rede;
- die Äußerungen verantwortlicher
Bundespolitiker zeichnen sich durch eine Wirklichkeitsblindheit und
Realitätsabstinenz aus, die mich in manchem an die Endphase der DDR
erinnert ;
- Hartz IV bewirkt zwei Zustände mit
Gewißheit: die Bereinigung der Arbeitslosenstatistik und die dem
Kapital
nützliche weitere Verbilligung der Ware Arbeitskraft ;
- wo es angeblich keine Alternativen
gibt, findet keine Politik statt, sondern nur noch bürokratisches
Verwalten
ohne Beachtung der Betroffenen, denn Politik ist immer ein Streit der
politischen Akteure um alternative Lösungen für anstehende Probleme.
2.)
im einzelnen ist m.E. heute schon erkennbar und zu bedenken:
- Hartz IV schafft auf einen Schlag
mindestens eine Million Sozialhilfeempfänger und das künftige
Ar-beitslosengeld
II liegt unter dem Niveau der heutigen Sozialhilfe;
- Zigtausende von Familien, in denen
derzeit einer der Partner arbeitslos ist, werden gezwungen, ihre
angesparten
Lebensversicherungen zu kündigen, ihre Grundstücke und evtl. Autos zu
verkaufen, nach Untervermietungsmöglichkeiten im eigenen Wohnraum zu
suchen;
- durch die Anrechnung des
Partnereinkommens und des Vermögens wird es für die Betroffenen
un-möglich ,
auch nur geringste Rücklagen gegen eine Verarmung zu bilden bzw. es
entsteht
die Not-wendigkeit alle, aber auch wirkliche alle, bisher gebildeten
Rücklagen
aufzuzehren, ehe überhaupt ein Antrag auf Arbeitslosengeld II gestellt
werden
kann ;
- von 331 € im Osten und 345 € im
Westen kann niemand leben, selbst wenn er einen Mietzuschuß und eine
Energiekostenpauschale erhält
- der umfangreiche Kürzungskatalog von
Hartz IV ( z.B. Nichtmelden auf dem
Amt oder Versäumen eines angeordneten Arzttermins bringen 3 Monate lang
ein
Minus von 10 %, ein Vorstellungsgespräch in unangemessener Kleidung
zieht für 3
Monate eine 30%ige Kürzung nach sich usw.,
hinzu kommt: alle Kürzungen sind addierbar ) dient vor allem der
Verbesserung
der Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit und führt zur Verarmung,
Verelendung
und Demütigung der betroffenen Frauen, Männer und Kinder ;
- zumutbar ist künftig ausnahmslos
jede Arbeit, gegebenenfalls auch ohne Entgelt, verweigert das der
Betreffende tritt der Kürzungskatalog in Kraft;
- wer das Arbeitslosengeld II
beantragt, muß (alle 6 Monate) eine "Eingliederungsvereinbarung"
unter-schreiben, darin steht, wie häufig er in dieser Zeit
Anstrengungen
unternehmen muß,um im 1.Arbeits-markt unterzukommen und in welcher Form
er diese
Anstrengungen nachzuweisen hat;
- mit Sicherheit wird Hartz nicht die
Arbeitslosigkeit bekämpfen, sondern die Arbeitslosen;
- mit großer Wahrscheinlichkeit wird es
zu einem Anstieg psychischer Erkrankungen kommen, auch zunehmende
Kriminalität
(vor allem unter Jugendlichen mit schlechten Berufschancen) kann man
vorausahnen , Obdachlosigkeit wird ganz gewiß ansteigen;
- Hartz IV verschlechtert nachhaltig
auch die Situation der Beschäftigten, denn wenn Arbeitslose in der o.a.
geführten Weise schikaniert werden, wird es für die so genannten
Arbeitgeber
leichter, den Nie-driglohnsektor zu vergrößern, die Arbeitszeit zu
verlängern ,
Urlaubstage zu kürzen , den weiteren Verzicht auf Urlaubs- und/oder
Weihnachtsgeld durchzusetzen, Kündigungsregelungen zu Ungunsten der
Beschäftigten
zu ändern und überhaupt Rechte der Gewerkschaften oder der Betriebsräte
zu
eli-minieren.
In
der Summe heißt das,
Hartz IV ist der Weg in tiefere soziale Spaltung der
Gesellschaft, zu mas-senhafter Not und Verarmung. Hartz IV ist keine
Reform des
Arbeitsmarktes, sondern ein scharfer Im-puls für eine
grundgesetzwidrige,
qualitative Veränderung der Bundesrepublik . Hartz IV ist eine
aktu-elle
Erscheinungsform des Klassenkampfes von oben.
Diesen Weg darf die PDS nicht
mitverantworten.
Eine andere Gesellschaft ist möglich.
Dafür ist Protest und Widerstand notwendig. Protest ist, wenn ich
deutlich
sage, was nicht richtig ist. Widerstand ist, wenn ich mich dafür
engagiere,
dass das, was nicht richtig ist, nicht länger geschieht.
Was
also tun ?
Wie weiter ? 1.Aussprechen, was ist
! 2.Begründen, was sein soll ! 3. Tun, was dafür erforderlich ist ! Widerstand tut not. Widerstand wendet Not.
Mit
freundlichen Grüßen
Peter
Kroh
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Am nächsten Tag sendete ich diese mail und den
angehängten
Brief noch an Adressen, die ich in meinem Arbeits-PC gespeichert hatte.
Das
waren: Peter Barthelt, Daniel Bartsch, Benno Bechtel, Jörg Böhm,
Barbara
Borchardt, Jan Borgwardt, Dolores Brunzendorf, Carola Daum, Christiane
David,
Wolfgang Dietrich, Martin Eilers, Günter Emmaus, Bodo Frenzel, Bernd
Fuhrmann,
Klaus Gebauer, Peter Grottian, Rolf Kadgien, Jürgen Kalkbrenner, Renate
Klopsch,
Dieter Kowalick, Wolfgang Münchow, Paul Nickel, Rudi Otterstein, Ursel
Pientka,, Jeannine Rösler, Andre Sandmann, Birgit Scherer, Petra
Schmelzer,
Andreas Schmidt, Marion Wiedenhöft, Gerd-Erich Neumann, Fritz Klinger,
Stefan
Höse, Peter Krautz, Manfred Bewersdorf, Jochen Lansky , Wilfried
Schumacher;
Eberhard Schmiedel; Hedi Manfred
Herbst; Werner Heise; Marianne Heide; Jürgen Hahn; Roswitha Erdmann;
Lutz
Albrecht;
Manfred Bewersdorf;
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Es
dauerte nicht lange und
die ersten Antworten trafen ein.
Karsten
Neumann schrieb: Unter dem
Betreff
„Re:
Hartz IV - Rücktritt Holter“ erhielt
ich unter dem Datum Monday,
July 05, 2004 8:38 AM folgende
Antwort:
Lieber
Peter,
ich gehe mal davon aus, Du willst als
parteiloser Sympathisant auch Antworten auf Deinen Brief. Ich will es
aber kurz
halten.
Deine Ausgangsthese: "So wird ein
PDS-Mitglied also verantwortlich sein, dass alle vom so genann-ten
Arbeitslosengeld II in M-V Betroffenen das Verarmungs- und Armutsgeld
von 331 €
pünktlich aus-gezahlt bekommen." stimmt - H. Holter wird den Versuch
unternehmen, wenigstens das Wenige zu si-chern, was übrig geblieben
ist.
Genauso wie viele PDS-Mitglieder im und zwischen Wahlkämpfen mit Rat
und Hilfe
den Schwächsten zu ihrem Recht verhelfen, so beschissen das auch ist,
und das
seit 14 Jahren.
Deine Schlußfolgerung: demonstrativer
Rücktritt Holters: "Würde eine solche Haltung, öffentlich ge-macht,
nicht
eher helfen, dem verbreiteten Verdruß in der Bevölkerung Ziel und
Richtung zu
geben und das Gesetz zu kippen ... ?" Das glaubst Du doch nicht im
Ernst!
Nach zwei Tagen wäre das öf-fentliche Interesse an diesem Schritt
vorbei und
kein Gesetz würde daran fallen. Ein neuer PDS-Mi-nister müßte her und
es
versuchen besser zu machen, oder die SPD bekommt das Ressort –
wahr-scheinlich
der Wirtschaftsminister - oder die Koalition wird beendet und die PDS
durch die
CDU aus-getauscht. Das sind die Alternativen - für ein besseres
Gewissen?
Welches Ziel und welche Richtung soll denn der Verdruß bekommen? In
vorgezogenen Wahlen Merkel zum Kanzler machen und dann wird alles
besser? Oder
50%+ für PDS - unabhängig von der Frage, ob es dann besser würde?
Diese Fragen müßtest Du mir schon
beantworten.
Mit
freundlichen Grüßen
MdL
Karsten Neumann rechts- und
europapolitischer Sprecher PDS-Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern
stellv. Vorsitzender des Rechts- und Europaausschusses /stellv.
Mitglied des Ausschuss der
Regionen
Lennéstr. 1,
19053 Schwerin / Tel.:
0385-525 2500 /Fax.: 0385-525 4 2529
mail.: k.neumann@pds.landtag-mv.de
/ PDS-Landtagsfraktion
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Klare Fragen soll
man versuchen, halbwegs klar zu beantworten. Ich mailte ( 05.07. 21.32h)
zurück:
Lieber
Karsten,
danke , dass Du so rasch auf meine mail
geantwortet hast. So sind wir zwei schon ein Teil der von mir für
wichtig und
richtig gehaltenen Diskussion über die Frage "Wie halten wir's mit
Hartz
IV?
Laß mich auf einige Deiner Argumente
eingehen.
Wir stimmen sehr überein, was den Rat
und Hilfe für die Schwächsten betrifft. Torsten als Abgeordne-ter und
sein WKB
sind in NB und NZ Teil davon. Die Tatsache, dass mir dabei seit Jahren
viele
be-schissene Lebenssituationen bekannt wurden und unternommene Hilfs-
und
Rat-Aktionen mal erfolg-reich, mal erfolglos waren - das ist auch ein
Grund
mit, warum ich Fragen habe, auf die ich keine Ant-wort weiß, .... aber
brauche!
Hinzu kommt, dass ich durch ein ziemlich genaues Verfolgen der Hartz-Gesetze seit langem ziemlich genau weiß (auch wenn das in Deinen Ohren vielleicht überheblich klingt, es ist einfach so, sorry ), was hier passieren wird. Mir macht das aus sozialpolitischen Erwägungen Angst und aus privaten Gründen Sorge.
Es geht mit Hartz IV nicht nur um ein
weiteres Gesetz , das zu den vielen anderen beschissenenen dieser
Regierung
hinzu kommt ! (Nebensatz: In meinem WKB-PC habe ich ein Papier vom Januar 2003 zu Hartz ,
dass ich damals
auch verschickte, ohne je auch nur eine Antwort zu erhalten. Ich werde
es Dir
morgen ohne weiteres Anschreiben einfach so zusenden.)
Nun
zu den Nichtübereinstimmungen.
* Ich fordere keinen
"demonstrativen Rücktritt" von Helmut.
Ich bin für PDS-Landräte,
-Bürgermeister und -Minister ! Sie sind auch mit meiner Wählerstimme
(und der
meiner Verwandten, Kinder und vieler Freunde ) in ihrem Ämtern ! Ich
bin aber
auch für Antworten auf Fragen, die nicht nur
mir auf der
Seele brennen.
Und in der Politik gibt es immer eine
Alternative, sonst gibt's bekanntlich keine Politik. Wir sollten nicht
drauf
reinfallen, wenn aus ganz bestimmten Gründen ganz bestimmte Leute immer
aufs
Neue die Leier von der Alternativlosigkeit herbeten.
PDS-Politik
ist doch nicht ohne Prinzipien, ohne Werte, ohne Ziele, ohne Interessen
einer
ganz bestimmten Klientel denk- und machbar.
Und nun habe ich gefragt
(nicht zuletzt, weil auch ich als Wahlkreismitarbeiter gefragt
werde),
wie und ob Hartz IV von uns
(mit)verantwortet
werden kann. Ich glaube , Helmut Holter hat sich auch diese Frage
gestellt,
denn er hat das Gesetz in seinem Entstehungsprozeß mehrfach deutlich
kritisiert
und er war wohl - wie ich gehört habe - im Kabinett auch nicht von
Anfang an
dazu bereit , in MV dafür da-für die Verantwortung zu übernehmen.
* Spaß hatte ich mit meinem Brief an
Helmut und auch mit der mail nicht im Sinn. Insofern war (und ist) es
mir mit
meiner Frage Ernst, ob ein Statement, in etwa
derart :
diese sozialpolitische Schweine-rei ist mit mir nicht zu machen,
verbunden mit
der Aufforderung, dass Hartz IV entweder Chefsache des MP oder (weil ja
auch
Kommunen zuständig sind) des IM zu sein hat, nicht ein breites Echo bei
all
denen finden würde, die
- von der SPD schon enttäuscht sind;
- nicht mehr wählen gehen, weil sie bei keiner Partei (!) eine
Politik in ihrem
Interesse sehen;
- bei attac oder anderswo nach
Alternativen zur neoliberalen Zerschlagung des Sozialstaates suchen;
- eine neue Bewegung/Partei (?) links
von der SPD initiieren;
- in Gewerkschaften, unter Juristen und
Datenschützern laut und öffentlich an der Rechtmäßigkeit von Hartz IV
zweifeln;
- in zahlreichen Organisationen gegen
das konkrete Unrecht kämpfen, dass so viele Ostdeutsche in ihrer
Lebensführung
belastet (ich denke an solche, wie deinen Vater im Arbeitslosenverband
oder
auch die GBM, ISOR u.ä.) ?
Wenn das mit der Kampagne der PDS
"Von 331 € kann man nicht leben" verbunden würde und diese Kampagne
vielleicht bundesweit geführt und noch erweitert würde zu einer
thematischen
"Aufklä-rungs" - Kampagne [ z.B. "Das Arbeitslosengeld für die
Armen muss gesenkt werden, weil die Steuern
für die
Reichen gesenkt wurden" (oder so ähnlich!)] - dann halte ich das Gesetz
für aushebelbar, auch angesichts der Demos im letzten Jahr.
Dass Du Das als Antwort auf Deine Fragen verstehst, wage ich zu hoffen. Gewiß bleibt auch noch manches offen, aber das liegt ja im Wesen des Problems. Es wäre schon ein Erfolg, wenn wir insge-samt so (oder so ähnlich wie wir) diskutieren würden, möglichst sachlich, d.h. auf die Sache (nicht auf die Person) bezogen, ohne Unterstellungen und Vor-Verurteilungen und möglichst nahe dran, an dem Satz / an dem Text, den der andere tatsächlich gesagt/geschrieben hat (und nicht, was ich hineinge-hört / hineingelesen habe)
Mit
freundlichen Grüßen
Peter
Kroh
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Auch
der
PDS-Bundesgeschäftsführer antwortete. Seine Meinung ( gesendet Monday, July 05,
2004 8:52 AM) formulierte er wie folgt:
Lieber Genosse Kroh, durch die breite Verteilung Deines Schreibens an Helmut Holter habe ich es auch zur Kenntnis nehmen dürfen.
Die Antwort für Helmut kann und will ich nicht geben. Und eigentlich - so lese ich Dein Schreiben - ist auch nur eine zugelassen: Helmut Holter erklärt öffentlich, dass er diese Politik nicht verantworten kann und will und deshalb sein Amt niederlegt - oder? Gut - das ist sicher eine Lösung.
Nebenbei könnte man die leidige Regierungsbeteiligung "entsorgen". Mir kommt eine Frage in den Sinn: Was wird eigentlich mit den Landräten, mit den Bürgermeistern der PDS?
Wir sollten schon konsequent sein!
Rolf
Kutzmutz Bundesgeschäftsführer
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Das
forderte natürlich
geradezu heraus, einzelne Mißverständnisse aufzuklären. Deshalb mailte
ich (Monday, July 05, 2004 8:38 PM) wie folgt:
Lieber Genosse Kutzmutz,
danke , dass Du so rasch auf meine mail geantwortet hast. So sind wir zwei schon ein Teil der von mir für wichtig und richtig gehaltenen Diskussion über die Frage "Wie halten wir's mit Hartz IV?
Laß mich auf einige Deiner Argumente eingehen.
* "Breite Verteilung" monierst Du ein wenig. Ich habe an Helmut Holter zuerst ganz individuell ge-schrieben, sozusagen vom Bürger zum Minister. Erst als nach einer Woche keine Antwort da war, suchte ich die (PDS-) Öffentlichkeit.
* "Amt niederlegen" ist durchaus nicht die von mir gewünschte oder gar "zugelassene" Lösung und ei-ne "Entsorgung" der Regierungsbeteiligung auch nicht. Da habe ich in meinem Brief an den Minister doch wohl differenzierter gefragt und keine Antwort vorformuliert, aber eben auch keine erhalten.
Ich bin für PDS-Landräte, -Bürgermeister und -Minister ! Sie sind auch mit meiner Wählerstimme (und der meiner Verwandten, Kinder und vieler Freunde ) in ihrem Ämtern ! Ich bin aber auch für Antworten auf Fragen, die nicht nur mir auf der Seele brennen.
Und in der Politik gibt es immer eine Alternative, sonst gibt's bekanntlich keine Politik. Wir sollten nicht drauf reinfallen, wenn aus ganz bestimmten Gründen ganz bestimmte Leute immer aufs Neue die Lei-er von der Alternativlosigkeit herbeten. PDS-Politik ist doch nicht ohne Prinzipien, ohne Werte, ohne Ziele, ohne Interessen einer ganz bestimmten Klientel denk- und machbar.
Und nun habe ich gefragt (nicht zuletzt, weil auch ich als Wahlkreismitarbeiter gefragt werde), wie und ob Hartz IV von uns (mit)verantwortet werden kann. Ich glaube , Helmut Holter hat sich auch diese Frage gestellt, denn er hat das Gesetz in seinem Entstehungsprozeß mehrfach deutlich kritisiert und er war wohl - wie ich gehört habe - im Kabinett auch nicht von Anfang an dazu bereit , in MV dafür da-für die Verantwortung zu übernehmen.
Ob man die von mir gestellten Fragen (und meine Beweggründe, sie zu stellen ! ) allerdings für wichtig nimmt, für brennend sieht, ob man sie ernsthaft zu beantworten sucht oder besser lieber die Ohren davor verschließt - das hängt sehr davon ab, ob man z.B. meint, Hartz IV ist leider ein weiteres unter den schon vielen und für abhängig Beschäftigte nachteiligen Gesetzen dieser Bundesregierung und wir sind halt nur eine 25%-Partei oder eine 5%-Partei ( ganz wie man gerade passend rechnen will) und können also sowieso nichts ändern oder ob man meint, dass Hartz IV eklatant gegen das Grund-gesetz verstößt, eine neue Qualität des Klassenkampfes von oben gegen die sowieso schon Benach-teiligten praktiziert und die vorhandene soziale Polarisierung weiter vertieft .
Wir sollten schon entscheiden und entschieden sein! Auf beiden Seiten des sozialen Risses durch die bundesdeutsche Gesellschaft zugleich kann man schlecht stehen.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Kroh
Wahlkreismitarbeiter
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Wahrscheinlich
nicht so sehr
meine mail als vielmehr eine neue Nachricht (oder viel-leicht von
beidem etwas
?) veranlaßten Rolf Kutzmutz , mir (
Tuesday, July 06, 2004 12:09 PM / Subject: AW: Noch einmal zu Hartz IV
und der
PDS ) noch einmal zu schreiben:
Lieber Peter Kroh,
eben lese ich, dass Mecklenburg-Vorpommern nach dem Willen der PDS dem Hartz-Gesetz die Zu-stimmung verweigern soll. Im Bundesrat hieße das "Enthaltung".
Das Gesetz wird trotzdem in kraft treten - die aufgeworfenen Fragen bleiben bestehen, insbesondere auch die, wie sich Minister, Senatoren, aber auch Bürgermeister und Landräte - weil letztere in den meisten Bundesländern für die konkrete Umsetzung des Gesetzes verantwortlich sind, verhalten.
Nach einer Woche keine Antwort vom Minister, der vom Bürger angeschrieben wurde - zweifellos kri-tikwürdig- gestern sagte mir Wolfgang Methling das H.Holter im Urlaub sei. Sicher kein Argument.
Aber nun zur Sache selbst:
Einig sind wir in der Beurteilung des Gesetzes, seinen Wirkungen. Einig auch darin, dass Widerstand organisiert werden muss. Mit wem und wie - da gibt es eine Reihe von Problemen. Verbände, in de-nen Kreistage und Städte organisiert sind begrüßen das Gesetz, weil sie finanzielle Zusagen haben, Gewerkschaftsführer einigen sich mit der Regierung auf moderaten Ton im Umgang miteinander und werden sich - so war zu lesen, bis Oktober zurückhalten.
Betroffene haben die Sache entweder noch nicht durchschaut oder glauben noch nicht an die Wirkun-gen oder... Selbst Unterschriften gegen die Praxisgebühr
Wir organisieren in den Kreisverbänden, dass sie Unterstützung erhalten dabei, wenigstens das ein-fordern zu können, was ihnen zusteht ( in Berlin wurde vermeldet, dass 50% der Betroffenen die Un-terlagen nicht auszufüllen in der Lage sein werden). Und wir haben in Vorbereitung, dass Menschen, die sich wehren wollen enntsprechende Musterbriefe zur Verfügung gestellt werden.
Ich meine, dass, wenn das Gesetz nicht verhindert werden kann - was sicher nicht nur Anspruch an die PDS ist - dann wenigstens gesichert werden muss, dass bei der Durchsetzung zuallererst die Pro-bleme der betroffenen Menschen mit bedacht werden müssen. Und da bin ich der Überzeugung, dass dies von PDS Mitgliedern ganz sicher gemacht wird.
Es bleibt der Widerspruch, das man sich damit zum "Erfüllungsgehilfen" macht.
Ja, es gibt immer Alternativen - ist das vorher Beschriebene eine? - oder welche gibt es noch – darü-ber würde ich auch weiter diskutieren wollen, weil es notwendig ist.
Mit freundlichen Grüßen
Rolf
Kutzmutz
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Sowohl wegen des
„Tons“ als auch – und vor allem - wegen der Aufforderung am Schluß,
schrieb ich
an Rolf Kutzmutz am 7.7. 18.14 h:
Lieber Rolf, danke für die mail von gestern Mittag. Ja, es gibt vieles , wo wir uns einig sind in der Be-wertung des Gesetzes. Das ist gut zu wissen, das ist wichtig für die kommende Zeit und das ist auch menschlich angenehm.
Über das von Dir Angeregte (Widerstand / Hilfe beim Ausfüllen der Formulare /Musterbriefe usw.- was ich alles okay finde und was wir hier ja auch - zumindest z.T. - machen) möchte ich folgende Gedan-ken zu unserer - nun ja schon fast intensiv zu nennenden Diskussion - beisteuern.
Lothar Bisky sollte unbedingt daran festhalten in Karlsruhe klagen zu wollen (las ich heute). Spezialis-ten haben sich dazu schon sachkundig geäußert. Die kann man sicher kontaktieren.
Zudem wäre eine unmißverständliche Verurteilung der asozialen Wirkungen des Gesetzes ganz wich-tig, verbunden mit der (vielleicht erst einmal unadressierten) Aufforderung zum Widerstand, was ja mehr ist als Protest.
Und wenn man dann allle herausgehobenen PDS-Minister, -Senatoren, -Landeschefs, -Fraktionsvor-sitzende zu einem geballten Statement, in etwa derart : diese sozialpolitische Schweinerei ist mit uns nicht zu machen, verbunden mit der Aufforderung, dass Hartz IV entweder Chefsache der MP oder (weil ja auch Kommunen zuständig sind) der IM zu sein hat, zusammenführen könnte , dann denke ich , wir finden ein breites Echo bei all denen , die
- von der SPD schon enttäuscht sind;
- nicht mehr wählen gehen, weil sie bei keiner Partei (!) eine Politik in ihrem Interesse sehen;
- bei attac oder anderswo nach Alternativen zur neoliberalen Zerschlagung des Sozialstaates suchen;
- eine neue Bewegung/Partei (?) links von der SPD initiieren;
- in Gewerkschaften, unter Juristen und Datenschützern laut und öffentlich an der Rechtmäßigkeit von Hartz IV zweifeln;
- in zahlreichen Organisationen gegen das konkrete Unrecht kämpfen, dass so viele Ostdeutsche in ihrer Lebensführung belastet (ich denke an Arbeitslosenverband oder auch die GBM, ISOR usw.)
Wenn das mit der Kampagne der PDS "Von 331 € kann man nicht leben" verbunden würde und diese Kampagne vielleicht bundesweit geführt und noch erweitert würde zu einer thematischen "Aufklä-rungs"-Kampagne [ z.B. "Das Arbeitslosengeld für die Armen muss gesenkt werden, weil die Steuern für die Reichen gesenkt wurden" (oder so ähnlich!)] - dann halte ich das Gesetz für aushebelbar, auch angesichts der Demos im letzten Jahr.
Was meinst Du dazu ? Wenn es Dir hilft, zitier mich ruhig in "Deinen Kreisen", so kannst Du eine eige-ne Sicht erst mal zurückstellen und testen, was Deine Führungskollegen dazu meinen. Ich jedenfalls halte das nicht für aussichtslos. Immer vorausgesetzt, man sieht Hartz IV nicht als ein weiteres Gesetz unter den unsäglichen "Reformen" der von Gott, Bebel und Liebknecht verlassenen Sozialdemokraten , sondern eben als qualitativ neues Merkmal des Klassenkampfes von oben. War das kürzliche "Schulterklopfen" von BDI-Rogowski für den Sozialdemokraten (?) Schröder im Palast der Republik nicht geradezu entlarvend ??
Ich hänge drei Materialien an, die Du nach eigenem Gutdünken verwenden kannst ( bei den vom Januar 2003( ! ) , die damals kaum einer lesen wollte mit meinem Copyright bitte, bei dem Januar 2004 -Papier liegen die Rechte bei Utopie kreativ)[2]
Nebenbemerkung: Weil ich wußte, dass allgemeine Urlaubsphase ist, habe ich meinen Brief an Helmut Holter (nachdem ich mich den ganzen Samstag mit den Formulierungen herumgeschlagen habe) am Sonntag, den 27. vorab per email geschickt und die Post-Zusendung angekündigt. Ich wollte so Zeit/Vorlauf schaffen und Helmut rechtzeitig informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Kroh
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Birgit Schwebs schrieb mir am 6.7.:
Lieber Peter,
meine erste, ganz spontane Reaktion auf den Brief war: Oh Mann, was hat denn den Peter geritten, so einen Brief zu schreiben. Aber ich schwöre, es war nur die erste!!!
Und jetzt weiß ich nicht so richtig weiter, denn meine Schere im Kopf hat schon gut gearbeitet: wenn Holter das machen sollte, dann ist die Koalition hinüber… das soll aber nicht sein, das wird den „füh-renden“ Genossen nicht gefallen… so funktioniert die Schere, ich soll nicht die Koalition infrage stel-len….
Peter, weißt Du, in der ersten Debatte in der Fraktion um dieses Thema haben Wolfgang und Marian-ne, sofort und wie aus einem Munde argumentiert: wenn Holter das nicht macht, kann er sein Minister-amt niederlegen, das ist schließlich seine Aufgabe als Arbeitsminister…
Ich denke, Du hast aber unbedingt recht. Mir wird jetzt sehr oft bewusst, wie „wir“ (also die mitregie-rende Partei) den Mantel aus der Abteilung Verwaltung nehmen und dann Entscheidungen anschie-ben oder weitertreiben, die eigentlich politisch abzulehnen sind, die wir dann auf der Straße und im Wahlkreisbüro in den bundespolitischen Kontext stellen, dagegen schimpfen und protestieren, und hilflos auf die klaren Worte der „Wahlalternative“ sehen und mit attac grollen, weil sie die PDS nicht mehr für eine linke Partei halten. Und ja nur nicht sagen, daß wir diese Koalition für nicht mehr sinnvoll halten, denn dann sitzen wir in der „Bedenkenträgerschublade“.
Deshalb war es richtig, diesen Brief an Helmut zu schicken, ihn intensiv aufzufordern, sich dazu zu positionieren (sonst macht er das ja sowieso nicht!!) und auch eine öffentliche Debatte anzufachen. Weil wir ja inzwischen die inhaltliche Auseinandersetzung miteinander scheuen, immer nur auf die Personen schauen, statt auf ihre Argumente zu hören!
Das zum Brief.
Peter, und Du hast noch mal recht, wenn Du mehr Aktivitäten gegen Hartz einforderst. Ich denk, ganz viele Menschen wissen immer noch nicht, was auf sie zukommt. Wir haben uns überlegt, daß wir ein-zelne Handblätter anfertigen wollen, auf denen wir darstellen wollen, was man alles mit 331 € anfan-gen kann. Z.B. AlG II nutzen für eine Übernachtung im Kempinski in Heiligendamm, oder 2 Flaschen Champagner kaufen und sich einen schönen Abend machen, oder last minute auf die Kanaren fliegen … und das wollen wir an die Betroffene vor dem Arbeitsamt verteilen.
Ich hoffe, daß ganz viele Menschen mitmachen und auch die Gewerkschaften nicht umfallen!
Einen lieben Gruß
Birgit
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Meine Antwort vom
7.7. an sie lautete:
Liebe
Birgit, danke für deine ehrliche und offene mail. Danke auch für deine
prinzipielle Zustimmung. Das tut gut.
Es ist schön, wenn man mit Menschen
korrespondieren kann, die nicht verhärtet, also diskussions-unfähig
(weil nicht
zuhören / korrekt lesen könnend ) sind.
Die Schere im Kopf - das kenne ich. Ich
hatte sie (aus heutiger Sicht : leider) zu DDR-Zeiten. In der sog.
"Wende" nahm ich mir vor (als ich überhaupt nach den Abwicklungs- und
anderen Nackenschlä-gen mal wieder zum ruhigen Nachdenken über mich
kam), das
passiert Dir nie wieder. Nicht immer, aber oft hats bisher geklappt.
Und nun
bin ich 60 und habe die nötige Gelassenheit. Zudem strebe ich kein Amt
oder
Mandat an, kann also "ungeniert" so formulieren, wie ich denke und
fühle.
Die anderen Antworten (bisher gibt es
mit Deiner 4!) sind auch sehr interessant. Ich werde das be-stimmt mal
zusammenfassen.
Wichtig wäre, dass Du aus deinem /eurem geschilderten Zwiespalt (hier der Mantel der Verwaltung / dort das Protestieren auf der Straße ) ein paar prinzipielle Schlüsse ziehst. Mir scheint, wenn man lan-ge genug im Parlament sitzt, verliert man die außerparlamentarische Perspektive aus dem Auge. Wo aber nur noch nach "Koalitions-Arithmetik", nach Wahlprognosen (und noch schlimmer : nur noch nach Ämtern und Pöstchen) geguckt wird, da sieht man weder die gesellschaftspolitischen Konse-quenzen des eigenen (Mit-) Tuns noch sieht man Chancen für Alternativen.
Und in der Politik gibt es ja immer
eine Alternative, sonst gibt's bekanntlich keine Politik. Wir sollten
nicht
drauf reinfallen, wenn aus ganz bestimmten Gründen ganz bestimmte Leute
immer
aufs Neue die Leier von der Alternativlosigkeit herbeten.
PDS-Politik ist doch nicht ohne
Prinzipien, ohne Werte, ohne Ziele, ohne Interessen einer ganz
be-stimmten
Klientel denk- und machbar. Man muss sie wiederfinden, ob in Regierung
oder
Opposition. Natürlich jeweils anders, aber wiedererkennen muss man sie.
Sonst
wird irgendwann PDS und Hartz IV miteinander identifiziert.
Stattdessen wäre es z.B. eine
grundsätzliche Diskussion wert (und deswegen
auch meine Frage)
,ob ein Statement, in etwa derart : diese sozialpolitische
Schweinerei
ist mit mir nicht zu machen, verbun-den mit der Aufforderung, dass
Hartz IV
entweder Chefsache des MP oder (weil ja auch Kommunen zuständig sind)
des IM zu
sein hat, nicht ein breites Echo bei all denen finden würde, die
- von der SPD schon enttäuscht sind;
- nicht mehr wählen gehen, weil sie bei keiner Partei (!) eine
Politik in ihrem Interesse sehen;
- bei attac oder anderswo nach
Alternativen
zur neoliberalen Zerschlagung des Sozialstaates suchen;
- eine neue Bewegung/Partei (?) links
von der SPD initiieren;
- in Gewerkschaften, unter Juristen und
Datenschützern laut und öffentlich an der Rechtmäßigkeit von Hartz IV
zweifeln;
- in zahlreichen Organisationen gegen
das konkrete Unrecht kämpfen, dass so viele Ostdeutsche in ihrer
Lebensführung
belastet (ich denke z.B. an den Arbeitslosenverband oder auch die GBM,
ISOR u.ä.) ?
Wenn
das mit der Kampagne der PDS "Von 331 € kann man nicht leben"
verbunden würde und diese Kampagne vielleicht bundesweit geführt und
noch
erweitert würde zu einer thematischen "Aufklä-rungs"-Kampagne [ z.B.
"Das Arbeitslosengeld für die Armen muss gesenkt werden, weil
die Steuern für die Reichen gesenkt wurden" (oder so ähnlich!)]
-
dann halte ich das Gesetz für aushebelbar, auch angesichts der Demos im
letzten
Jahr.
So, liebe Birgit, nun noch was
Praktisches: Ich hänge drei Materialien an, die Du für Eure Aktionen
(die schon
geplanten und vielleicht noch ein paar andere) gerne benutzen könnt.
Die beiden
vom Ja-nuar 2003 [ ! ] wollte damals niemand
zur
Kenntnis nehmen, das vom Januar 2004 habe ich kürzlich in der
Zeitschrift
Utopie kreativ gefunden. Ist natürlich keine Zeitschrift für
Abgeordnete im
"Hamster-rad", aber es ist ‘ne PDS-nahe.
Viel Erfolg !! HARTZ IV MUSS WEG
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Traudel Felfe mailte mir am
6.7. im
telegrafisch kurzen Stil :
Gratulation
zu Inhalt und Form, hätte ich nicht fertig gebracht. Nun muß es in die
Presse ,
Offenes Blatt.
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Am 7.7. schrieb
auch Wolfgang Dietrich. Sein Brief hatte folgenden Wortlaut:
Lieber
Peter,
Deinen Brief bzw. Deine Argumente, Überlegungen
etc.
unterstütze und teile ich vollends. Als im ver-gangenen Monat (
05.06.04 ? )
Wolfgang Methling als stellvertretender MP in der Fraktion das
Vorha-ben des MP
bekannt gab, den Arbeitsminister hauptverantwortlich für die
Koordinierung zur
Umset-zung von Hartz IV zu machen und das mit der Begründung gut hieß,
Helmuts
Haus sei dafür aus fach-licher (!) Sicht das geeignetste Ressort,
verwies ich
auf die politische Dimension: PDS-Minister setzt Hartz IV um! Ich
bezeichnete
das als politischen Super-GAU und meinte, dass dazu die Fraktion eine
ablehnende Haltung einnehmen und das dem MP mitteilen müsste – mit
allen
Konsequenzen, die sich daraus ergeben könnten. In der Diskussion gab es
zumeist
damit übereinstimmende Äußerungen, aber auch das Argument, dass Helmut
als
Regierungsmitglied die Anordnungen des MP befolgen müsse. Die
Diskussion wurde
unterbrochen und sollte eine Woche später fortgesetzt werden, zumal am
Abend
der Koalitionsausschuss tagen würde und dort das Problem angesprochen
werden
solle. Die Diskussion am folgenden Dienstag fand keine Fortsetzung; sie
wurde
auch von keinem MdL gefordert; in der Information über die Beratung des
Koa-Ausschusses fand die Problematik keine Erwähnung.
Obwohl sich unter den TeilnehmerInnen der Basiskonferenz zur
Wahlauswertung am
26.06.04 in Wa-ren einige befanden ( Landesvorstandsmitglieder –der LV
hatte
sich gegen die Veranwortungsüber-nahme durch eine/n PDS-Minister/in
ausgesprochen, worüber Peter Ritter als Vorsitzender die Frak-tion
informierte
und Briefe an den SPD-Landesvorsitzenden und den MP schrieb -, MdL,
Helmut
selbst), die von der Situation wussten, war ich der einzige, der sie
zur
Sprache brachte (ich hielt das für unbedingt notwendig). Meine
Forderung, die
Anordnung des MP kategorisch zurück zu weisen, erfuhr zwar deutliche
Zustimmung,
aber damit hatte es sich auch. Barbara B. forderte, dass Helmut alles
dafür tun
müsse, damit alle Betroffenen pünktlich zum 01.01.05 tatsächlich ihr
ALG II
erhalten. Dass das geschehen muss, ist richtig, greift m. E. als zu
verbleibende Forderung angesichts des
Unerhörten jedoch zu kurz. Es ist schizophren: Der Landesverband der
PDS führt
die Kampagne „Von 331 Euro kann man nicht leben“ durch – ein
PDS-Minister
zeichnet org.-technisch für die Realisierung von Hartz IV
verantwortlich.
Öffentliche Wahrnehmung: Hartz IV = PDS !
Denen, die Angst davor haben, die SPD könnte die Koalition zerbrechen lassen, wenn wir uns z.B. ge-gen die MP-Anweisung auflehnen würden, muss die Situation der SPD in Bund und Land vor Augen geführt werden: Sie würden sich einen solchen Schritt zigmal überlegen. Und wenn sie die Zusam-menarbeit aufkündigten, könnte die PDS nur an Ansehen gewinnen – jetzt, wo vielen Menschen all-
mählich
klar wird,
welche Grausamkeiten Wirklichkeit werden sollen.
Ich denke, den führenden Personen in der PDS M-V muss aus der Basis
heraus ihre
Verantwortung für die weiteren Entwicklungen in der Gesellschaft sehr,
sehr
deutlich gemacht werden – und auch für die Entwicklung der Linken im
Land, in
der BRD und in Europa. Seit fast einem Jahr thematisiere ich solche
Überlegungen im Landesvorstand und in der Fraktion, fordere,
außerparlamentarische Aktio-nen auf Landesebene zu organisieren, damit
Medien
und Öffentlichkeit unsere Alternativen wahrneh-men (müssen), hatte z.B.
im
Oktober auch gegenüber den Kreisvorständen Vorschläge unterbreitet. Das
Echo:
Schweigen oder Ablehnungen mit dem Verweis darauf, dass unsere Kräfte
dafür
nicht
ausreichten.
Nur
einzelne meinten unter vier Augen, dass das wohl notwendig sei …
Allein Briefe des Landesvorsitzenden an ALV, Sozialverbände etc., die
zum
gemeinsamen Protest auffordern, reichen nicht. Wenn wir von anderen
abhängigmachen, wie, wann und ob wir in Erschei-nung treten, ist das an
den
Erfordernissen vorbei. Wir müssen zu konkreten Aktionen aufrufen, nicht
nur Protest
(Unterschriftensammlungen u.ä.), sondern Widerstand organisieren kraft
unseres
Bei-spiels. Wollen wir das nicht, scheuen wir diese Arbeit oder
schaffen wir
das nicht im Bunde mit an-
deren,
haben wir
versagt.
Spätestens auf unserem LPT am 25.09.04 muss die Entscheidung fallen :
entweder
linke Kraft oder „Appendix der SPD“ (Gesine Lötsch).
Mit bestem Gruß
Wolfgang
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Am 8.7. antwortete Klaus Gebauer folgendermaßen:
Lieber Peter, kurz zu Deinem Brief:
Auch ich sehe in der
zugespitzten Situation bei Euch in MVP, aber auch in Berlin, erhebliche
Gefahren für die PDS - noch dazu, wenn unsere Minister bzw. Senatoren
die
Dreckarbeit bei der Umsetzung von Hartz verrichten müssen. Ein
plötzliches
Aussteigen aus den Koalitionen bringt aber m.E. auch keine Lösung.
Es würde sich ein weiterer großer Teil von WählerInnen von uns abwenden. Und was kommt nach ei-nem Ausstieg der PDS aus den Koalitionen? Wie wollen wir uns in Brandenburg und Sachsen verhal-ten, wenn entsprechende Wahlergebnisse erreicht werden? Bis zur Bundestagswahl müssen wir diese Situation m.E. aushalten, so besch... diese Situation auch ist.
Notwendig ist aber sicher, dass wir in der Öffentlichkeit keine Möglichkeit auslassen, uns mit Hartz IV und der Agenda 2010 und der Bundesregierung auseinanderszusetzen, richtig hart und prinzipiell. Und dabei müssen unsere Spitzenleute, die Zugang zu den Medien haben, an der Spitze stehen und den Hauptpart übernehmen. Das klappt aus meiner Sicht bei Euch z. ZT. noch besser als in Berlin. Man muss aber dann auch soweit gehen, zu sagen: Hartz IV bringt die SPD-PDS-Koalition an den Rand des Scheiterns, weil diese Politik weder mit unserem PDS-Programm, noch den ehemals im Wahlkampf gemachten Aussagen übereinstimmt. Der Zustand ist bereits jetzt für die PDS unerträglich und führt in ihr zu erheblichen inneren Auseindersetzungen. Auch das muss man in der Öffentlichkeit sagen. Wenn wir unsere eigenen Sorgen und Bedenken, auch unseren eigenen inneren Zustand, nicht nach außen transportieren können, erreichen sie auch unsere WählerInnen nicht. Schließlich noch eine letzte Überlegung in Kürze: Da die Koalitionen mit der SPD ein Thema der gesamten Partei sind, kann es es nicht den Länderorganisationen allein überlassen sein, wie wir uns verhalten. Ich habe den Eindruck, dass diese Fragen bisher nicht intensiv genug in der Partei beraten wurden und auch nicht im Vorstand. Am 17.7. soll es dazu eine Debatte im PV geben.
Noch eine Bemerkung: an die bürgerliche Presse hätte ich den Brief nicht weitergeleitet. Ein Echo habe ich dazu noch nicht gehört bzw. gelesen.
Soweit in aller Kürze.
Mit solidarischen Grüßen
Klaus
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Am 12.7. antwortete Gesine Lötzsch wie folgt:
Lieber
Peter,
vielen
Dank für Deine lange Mail vom 4. Juli zu den Hartz IV-Gesetzen. Ich
schließe
mich Deinen Argumenten weitestgehend an.
Im
Bundestag haben Petra Pau und ich selbstverständlich gegen diese
sogenannten
Reformen ge-stimmt und wir unterstützen alles, was der Aufklärung der
Betroffenen dient.
Ich
wünsche Dir persönlich alles Gute.
Dr.
Gesine Lötzsch, PDS
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Die zeitlich letzte
Reaktion erhielt ich von Fritz Klinger am 13.7.:
Lieber Herr Dr. Kroh,
Die
Information über den Brief an Minister Holter ist angekommen. Vielen
Dank!
Ich kann
dem Brief nur zustimmen. Ein PDS-Minister sollte sich nicht an der
Durchsetzung
der unsozialen Agenda 2010 beteiligen, sondern die Interessen der
Benachteiligten vertreten. Es könnte sich auch ungünstig auf die
Landtags- und
Bundestagswahl 2006 auswirken.
Mit freundlichen Grüßen
Fritz
Klinger
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Am 27.7., einen
Monat nach meinem Brief an Minister Helmut Holter fragte ich nach :
Rotbuchenring
23
Tel/Fax (
0395 ) 368 55 64
e-mail:
kroh.peter@freenet.de
17033
Neubrandenburg
27.07.2004
Ministerium
für Arbeit, Bau und Landesentwicklung
Herrn
Helmut Holter
Schlossstraße
6-8
19053
Schwerin
Sehr
geehrter Herr Minister Holter,
genau
heute vor einem Monat, am 27.6.2004, schrieb ich Ihnen in einem Brief
von
meinen Sorgen und Bedenken, wenn ein Minister der PDS für die Umsetzung
von
Hartz IV zuständig ist. Ich schickte den Brief am gleichen Tag per e-mail ( an poststelle@am.mv-regierung.de
und mit Cc an helfried.liebsch@am.mv-regierung.de
) , um
sicher zusein, dass Sie ihn am Montag lesen und rechtzeitig reagieren
können.
Im
Kern ging es mir darum, Ihre Antwort auf
ein paar Fragen zu erhalten, die nicht nur mich
(aber
mich eben auch sehr) beschäftigen.
Hartz
IV – das wird immer offensichtlicher –
ist keine Arbeitsmarkt-Reform, sondern ein nachhaltiger Impuls
für eine
qualitative Veränderung der Bundesrepublik , wahrscheinlich sogar unter
Verletzung von Grundrechten, wie sie im Grundgesetz fixiert sind . (Zu verweisen wäre insbesondere auf die
Art.1(3); 2 (1); 3 (3); 6 (4); 12 (2); 13 (3); 19 (2); 20 (1 und 3)
Bis
heute habe ich noch keine Antwort auf meinen Brief vom 27.6. erhalten.
Ich
bitte Sie deshalb herzlich, mir zumindest den Grund dafür zur Kenntnis
zu
geben. Besser noch wäre es allerdings, Sie könnten auf meine damals
gestellten
Fragen reagieren.
Mit
freundlichen Grüßen
Peter
Kroh
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Mit einer e-mail
vom 2.8. erhielt ich eine Antwort auf den Brief vom 27.6.
/*3/
|
Schwerin, den |
30. Juli 2004 |
Lieber
Peter,
vielen Dank für
Deinen Brief vom 27.06.2004. Wie Du aus dem Ministerium schon erfahren
hast,
hatte ich in den letzten Wochen Urlaub. So kann ich erst heute auf
Deinen Brief
unmittelbar antworten.
Das
nunmehr endgültig verabschiedete
Sozialgesetzbuch II stellt in seiner Wirkung den tiefsten sozialen
Einschnitt
in der Geschichte der Bundesrepublik dar. Dieser Einschnitt war
politisch
gewollt – gewollt von einer großen informellen Koalition. In der
Hartz-Kommission saß auch eine Gewerkschaftsvertreterin, im Bundestag
hat eine
demokratisch legitimierte Mehrheit die Hartz-Gesetze beschlossen und im
Bundesrat haben die Westländer diese Gesetze passieren lassen.
Es war
einzig die PDS, die einheitlich
und geschlossen gegen Hartz IV aufgetreten ist. Darüber war ich froh.
Zumal
dieses Engagement – auch der Ministerin und der Minister – öffentlich
wahrgenommen
und anerkannt wurde. Gleichwohl muss sich die PDS eingestehen, dass sie
als
Fünf-Prozent-Partei in der Bundesrepublik und an zwei Landeregierungen
beteiligt, nicht zu verhindern vermochte, dass dieser soziale
Rückschritt Gesetzeskraft
erlangte.
Es ist
also beschlossene Sache, ohne
Aussicht auf existenzsichernde Arbeit der großen Mehrheit der
zukünftigen
Empfängerinnen und Empfänger des Arbeitslosengeldes II kräftig in die
Tasche zu
greifen. Mehr noch, diese Menschen in ihrer Würde zu verletzen.
Nun
stellst Du zu Recht die Frage, ob
die kritische und ablehnende Haltung der PDS vereinbar ist mit dem
Auftrag des
Ministerpräsidenten an einen PDS-Minister, als Koordinator der
Landesregierung
bei Hartz IV zu wirken. Eines Gesetzes also, dessen Umsetzung Sache des
Bundesministeriums
für Wirtschaft und Arbeit, der Bundesagentur für Arbeit und der
Kommunen ist.
Ich
denke, dass auch und gerade die
PDS, wenn sie mitregiert im Lande, eine Verantwortung dafür hat, dass
die
Empfängerinnen und Empfänger das so genannte Arbeitslosengeld II zu
Beginn des
Jahres 2005 erhalten.
Jede
Verzögerung würde in erster Linie
diesen Personenkreis selbst treffen. Es würde einen Personenkreis
treffen, der
buchstäblich auf jeden Euro angewiesen ist. Für mich ist es erstens mit
demokratisch-sozialistischer Politik unvereinbar, diejenigen, die am
meisten
auf Hilfe angewiesen sind, im Stich zu lassen. Deshalb kann ich Deinem
Vorschlag, mich zu verweigern – was immer damit gemeint sein mag –
nicht
folgen. Dies wird im Übrigen auch von Berliner Genossen so gesehen. Das
hat
kürzlich der Partei- und Fraktionsvorsitzende Stefan Liebich
unterstrichen als
er erklärte: „Trotz ihrer kritischen Haltung wird die PDS-Fraktion in
Berlin
alles dafür tun, dass bei Inkrafttreten des Gesetzes die notwendigen
Vorbereitungen getroffen sind, damit allen
Arbeitslosengeld-II-Empfängern
zumindest die entsprechende Hilfe zukommen kann.“
Zweitens
lässt sich Hartz IV nicht auf
die unmittelbaren Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes,
gegebenenfalls auch Kosten der Unterkunft und Heizung etc. reduzieren.
Besonders
wichtig ist für mich auch, die Vermittlungsanstrengungen zu verstärken.
Es geht
um mehr und bessere Beratung, Beschäftigungsförderung und berufliche
Qualifizierung der Langzeitarbeitslosen.
Drittens
warne ich davor, die Frage auf
das Ministerium für Arbeit, Bau und Landesentwicklung zu fokussieren.
Wie soll
sich Bärbel Syrbe als PDS-Landrätin verhalten, wenn der Kreistag
entscheidet,
in Ostvorpommern die Experimentierklausel anzuwenden? Dann gibt es in
diesem
Kreis wie auch auf Rügen keine zwischen Agentur für Arbeit und
Landkreis
geteilte Verantwortung mehr.
Ich
bitte Dich also, Deinen Vorschlag
noch einmal zu überdenken. Er ist auch kaum vereinbar mit dem, was die
PDS
bisher zu Hartz IV versprochen hat – siehe die Erklärung Peter Ritters
zu der
Bundesratsentscheidung am 9. Juli.
Am 17.
Juli 2004 schließlich hat zudem
der Parteivorstand der PDS mit den Regierungsmitgliedern auch zu der
von Dir
angesprochenen Frage beraten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der
Beratung
sind zu der Erkenntnis gekommen, dass wir in Berlin und
Mecklenburg-Vorpommern
Protest und Ablehnung der Hartz-IV-Reformen mit der fachlichen
Zuständigkeit in
den beiden Landesregierungen verbinden können.
Ich
habe Angelika Gramkow
vorgeschlagen, auf der Sommerklausur in einem eigenständigen
Tagesordnungspunkt
über Hartz IV, die Folgen und die Umsetzung in Mecklenburg-Vorpommern
zu
sprechen. Ich hoffe, dass wir uns auf der Klausur sehen, um die
Diskussion
weiterführen zu können.
Bis
dahin verbleibe ich
mit
freundlichen Grüßen
/*3 / der wortgleiche Text (!) stand am
6.8.2004 im ND als
Leserbrief des PDS-Landesvorsitzen-den
(!!) Peter Ritter, womit er auf einen anderen Leserbrief Tage zuvor
reagierte.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Ich antworte dem
Minister am nächsten Tag wie folgt:
Rotbuchenring
23
Tel/Fax (
0395 ) 368 55 64
e-mail:
kroh.peter@freenet.de
17033
Neubrandenburg
03.08.2004
Ministerium
für Arbeit, Bau und Landesentwicklung
Herrn
Helmut Holter
Schlossstraße
6-8
19053
Schwerin
Lieber
Helmut,
zuerst einmal möchte ich mich für Deinen
Brief vom
30.Juli bedanken. Aus dem Ministerium habe ich - entgegen Deiner
Annahme- nichts erfahren. Vom „Hörensagen“
war mir
bekannt, dass Du ab Donnerstag, den 1.7. im Urlaub bist. Um Dich
rechtzeitig
vor dem Urlaub noch zu erreichen, habe ich ja meinen Brief auch vorab
per
e-mail am Sonntag den 27.6.abgeschickt.
Soweit zum Zurückliegenden.
Nun stellst Du eine Weiterführung der
Diskussion auf
der Klausur in Aussicht . Ich finde das richtig und notwendig, weiß
aber im
Moment nicht , ob ich aus gesundheitlichen Gründen an der Klausur
teilnehmen
werde. Deshalb möchte ich zwei Kernpunkte brieflich mitteilen.
Du schreibst, die Hartz-Gesetze sind von einer demokratisch legitimierten Mehrheit beschlos-sen . Ich denke, ein formal demokratischer Mehrheitsbeschluß entbindet uns nicht von inhalt-licher Kritik und konsequenter Bewertung.
Eine etwas weit hergeholte Erinnerung :
Hitler ist
auch durch einen formal korrekten demo-kratischen Mehrheitsbeschluß
gewählt
worden !
Eine etwas näher liegende Erinnerung: Am 15.8. 2002 legt die Hartz-Kommission einen Be-richt vor. Er umfaßt 343 Seiten. Am 17.8. stimmt diesen Vorschlägen eine SPD-Parteikonfe-renz zu. Am 18.8. stimmt der Vorstand von Bündnis 90/ Die Grünen zu. Am 20.8.wird das Ganze in einer Sitzung des Bundeskabinetts zum offiziellen Beschluss der Regierung.
Wer von den Teilnehmern, lieber Helmut, hatte in diesem Zeitrahmen die 343 Seiten wirklich gelesen und auch noch verstanden ? Wie demokratisch war also das Procedere wirklich ?
Noch dazu, wenn man sich zugleich erinnert,
wie seit
August 2002 jede Kritik an den Hartz-Vorschlägen mit folgendem
Argumentationsmuster
verhindert wurden: Bevor die Vorschläge veröffentlicht wurden, kann es
keine
sinnvolle Kritik geben. Die könnte ja nur in Unkenntnis der Gesamtheit
des
Programms geschehen. Nach der Veröffentlichung der Vorschläge kann es
keine
vernünftige Kritik geben, denn jetzt kommt es darauf an, zuzupacken und
nicht
zu lamentieren.
Nun zu meinem so genannten
„Verweigerungsvorschlag“
. Zunächst einmal: Völlig Recht hast Du mit all den Gedanken, die von
Hartz IV
Betroffenen nicht im Stich zu lassen, sondern sie vielmehr nach besten
Kräften
zu unterstützen. Das ist ja erfreulicherweise auch schon Pra-xis. Allerdings sollten wir dabei nicht
vergessen, dass wir als demokratisch und sozialistisch Denkende und
Fühlende letztlich
mithelfen, dass zigtausend ohnehin schon sozial Benachtei-ligte Menschen in MV noch weiter gedemütigt, noch
mehr beschämt und noch stärker drang-saliert werden und so
zugleich die gigantischen Profite der sowie so schon
reichlich Vermö-genden weiterhin gesichert werden .
Du kannst nun meinem sogenannten Verweigerungsvorschlag – „was immer damit gemeint sein mag“ – wie Du schreibst, nicht folgen ? Was habe ich gemeint , was meine ich bis heute?
Wenn ein PDS-Minister eine solche Haltung
(Diese
sozialpolitische Schweinerei ist mit mir nicht zu machen! Bei diesem
radikalen
Verelendungsprogramm für Millionen Menschen in der ganzen
Bundesrepublik ist
für mich das ‘Ende der Fahnenstange‘ erreicht. Aus Gewis-sensgründen
verweigere
ich mich dieser politischen Entscheidung ) bekundet, dann führt das
nicht – wie
mancher befürchtet und auch ich nicht will – zu einem Rücktritt des
Ministers,
sondern zu einer Stärkung und Formierung all jener, die seit Jahren
unzufrieden
mit der gesellschaftlichen und sozialen Entwicklung der Bundesrepublik
sind und
sich für Veränderungen engagieren. Ich zähle dazu u.a.
Menschen, die von der SPD schon endgültig enttäuscht sind ;
die nicht wählen gehen, weil sie bei keiner Partei (!) eine Politik in
ihrem
Interesse sehen ; die bei attac oder anderswo nach Alternativen zum
Klassenkampf von oben (nichts anderes ist Hartz IV) suchen; die eine
neue
Bewegung/Partei (?) links von der SPD initiieren; die in
Gewerkschaften, unter
Juristen und Datenschützern laut und öffentlich an der Rechtmäßigkeit
und an
der Übereinstimmung von Hartz IV mit dem Grundgesetz (ungeachtet
demokratischer
Mehrheitsbeschlüsse) zweifeln; die in zahlreichen Organisationen (ISOR,
GBM,
Arbeitslosenverband u.ä.) gegen konkretes Unrecht aus den letzten 15
Jahren
kämpfen. Begleitet von einer bundesweiten Kampagne der PDS „Von 331 €
kann man
nicht leben“ und die u.U. noch erweitert zur Thematik „ Das
Arbeitslosengeld
für die Armen muß auf 331/345 € gesenkt werden, weil die
Steuern für die Reichen gesenkt wurden“ wäre das Gesetz zu
kippen.
Im Kern ist
das die Erwartung , neben der
parlamentarisch-politischen Ebene und der korrek-ten Erfüllung
dienstlicher
Obliegenheiten auch die gesellschaftspolitischen Dimensionen von Hartz
IV zu
sehen, nicht zuletzt im Kontext sowohl mit den Forderungen der Herren
Hundt und
Rogowski nach weiteren Verschlechterungen für die (noch ) Arbeit
Habenden als
auch mit der Raffgier und den Freisprüchen für die Herren Ackermann und
Esser.
Dabei – und das wissen wir beide, lieber Helmut, genau – stehen hier
Namen von
Personen als verkürzte Sym-bole für Strukturen, Eigentums- und
Machtverhältnisse.
Ich meine ernsthaft, dass der mit Hartz IV zu vollziehende Sozialraub sowohl die Zukunftsfä-higkeit großer Teile der Bevölkerung beschädigt als auch den sozialen Frieden – immerhin lange Jahrzehnte ein so genannter Standortfaktor – gefährdet. Und ich sehe – nicht nur bei Minister Clement, aber bei ihm am deutlichsten – eine Wirklichkeitsblindheit und Realitäts-abstinenz, die mich erschreckend an die Regierenden in der Endphase der DDR erinnert.
Nun entnehme ich Deinem Brief , der
PDS-Parteivorstand ist in einer Beratung am 17.Juli 2004 zu der
Erkenntnis
gekommen, „Protest und Ablehnung der Hartz-IV-Reformen mit der
fachlichen
Zuständigkeit in den beiden Landesregierungen verbinden (zu) können“.
Dass ich
da schon Bauchschmerzen beim Terminus „Hartz-IV-Reformen“ bekomme, wird
Dich
nach all dem nicht verwundern. Wie ich etwas bezeichne, das hat sehr
viel damit
zu tun, wie ich damit umgehe. Wollen wir gemeinsam hoffen, dass die PDS
im
Alltagsbewußtsein vieler Wähler nie mit Hartz IV identifiziert wird.
Noch stärker hoffe allerdings ich darauf,
dass
dieses Gesetz nicht in Kraft tritt. Aus diesem Hoffen heraus habe ich
auch den
Briefwechsel mit Dir initiiert. Die Zukunft wird zeigen, wel-che
Hoffnungen sich
erfüllen und welche eher enttäuscht werden.
Mit
freundlichen Grüßen
Peter
Kroh
Zu
einem Interview mit
Helmut Holter im ND vom 7./8.8.2004 schrieb ich einen Leserbrief, den
das ND am
10.8. auszugsweise veröffentlichte. Der Wortlaut:
Der Minister meint, Hartz IV sei verfassungsrechtlich bedenklich, wirtschaftspolitisch kontraproduktiv und sozial zutiefst ungerecht. Dazu möchte er insofern beitragen, als dass die Leute wenigstens pünktlich ihr Geld bekommen . Er will (oder muß?) also letztlich mithelfen, dass zigtausend ohnehin schon sozial Benachteiligte Menschen in MV noch weiter gedemütigt, noch mehr beschämt und noch stärker drangsaliert werden und so zugleich die gigantischen Profite der sowie so schon reichlich Vermögenden weiterhin gesichert werden . Welch gigantischer Spagat! Vor allem aber gehe es ihm darum, dass Langzeitarbeitslose in sozialversicherungspflichtig existenzsichendernde Beschäftigung kommen. Das ist natürlich ein ehrenswertes Ziel, aber Helmut Holter hat an anderer Stelle auch im ND schon energisch bestritten, dass Hartz IV etwas mit besserer Vermittlung zu tun hat. Ja , was denn nun ? Hüh oder hott ? Im übrigen ist Hartz IV keine Arbeitsmarktreform, wie der Untertitel des Inter-views behauptet, sondern aktueller Ausdruck des beharrlichen und erfolgreichen Klassenkampfes von oben. Hoffen wir ,dass die Wähler in MV Hartz IV nie mit der PDS identifizieren. Warum eigentlich ist Hartz IV nicht Chefsache des Ministerpräsidenten oder Aufgabe des Innenministers ?
Darauf
mailte mir Renate
Klopsch :
Lieber
Peter,
Helmut
Holter hilft nicht mit, mich zu demütigen und zu drangsalieren. Im
Gegenteil.
Siehe Zusam-menkunft der PDS-M/V-Spitze mit Vereinen und Verbänden am
9.8.2004
in Schwerin. Und so wie ich sehen es viele künftige ALG II-Bezieher
hier im
Land.
Wir
sind zwar arbeitslos - aber nicht hirnlos.
Und
wir sind durchaus in der Lage zu unterscheiden, wer oder was uns gut
tut und
wer oder was nicht.
Freundliche
Grüße
Renate Klopsch
53 Jahre Dipl.-Wirtschaftsingenieur
alleinstehende Mutter u.a. einer volljährigen Gymnasiastin
Arbeitslosenhilfebezieher unterhalb des BSHG-Niveaus
ehrenamtliche Beraterin in Neubrandenburg zu den ALG II-Anträgen
Mitglied
der Landesarbeitsgemeinschaft
"Soziales" der PDS M/V
Ich
antwortete ihr am 12.8.
12:48 h:
Liebe Renate, danke für Dein Statement. (Ich schicke Dir mit anderer mail per "Weiterleiten" meinen Leserbrief im Original. Da kannst Du sehen, wie man durch Weglassen und Ändern informiert.)
Nun aber zu Deinem Anliegen. Ich weiß aus dem Nordkurier und auch persönlichen Gesprächen, um Deine Sachkunde und Dein Engagement in Sachen Beratung zu Hartz IV. Von daher (war ich schon im jüngsten Wahlkampf und) bin ich mir auch jetzt völlig sicher, dass Du und viele andere, die Du in Deiner mail erwähnst, nicht hirnlos sind.
Ich gehe davon aus, dass Du mir einen in etwa gleichen Zustand attestierst.
Wenn ja, dann können wir - so wie schon oft in der jüngsten Vergangenheit - sachlich diskutieren.
Was ist Hartz IV ?
* keine Arbeitsmarkt-Reform (weder nur den Arbeitsmarkt betreffend , noch eine "Reform"), sondern ein Verarmungs- und Armutsprogramm
* ein radikales Verelendungsprogramm für Millionen Menschen in der ganzen Bundesrepublik
* ein nachhaltiger Impuls für eine qualitative Veränderung der Bundesrepublik , wahrscheinlich sogar unter Verletzung von Grundrechten, wie sie im Grundgesetz fixiert sind . (Zu verweisen wäre insbesondere auf die Art.1(3); 2 (1); 3 (3); 6 (4); 12 (2); 13 (3); 19 (2); 20 (1 und 3)
Wer an der Umsetzung dieses Sozialraub-Programms mittut, trägt (meines Erachtens!) objektiv dazu bei, dass zigtausend ohnehin schon sozial Benachteiligte Menschen in MV noch weiter gedemütigt, noch mehr beschämt und noch stärker drangsaliert werden und so zugleich die gigantischen Profite der sowie so schon reichlich Vermögenden weiterhin gesichert werden .
Ohne Zweifel hat Helmut dabei ein völlig andere Motivation als zum Beispiel der unsägliche Minister Clement. Völlig Recht hat Helmut mit all den Gedanken und Zielen, die von Hartz IV Betroffenen nicht im Stich zu lassen, sondern sie vielmehr nach besten Kräften zu unterstützen. Das ist ja erfreulicher-weise, nicht zuletzt auch durch Dich, schon Praxis.
Aber : die subjektive innere Einstellung ändert am objektiven Ergebnis (nämlich dass man von 331 € nicht leben kann, wie es die PDS-Kampagne zugespitzt, aber völlig richtig benennt) gar nichts. Hier tut sich ein Widerspruch auf, vielleicht ein gigantischer Spagat ?
Mir macht Sorge, dass die PDS von einem Teil der an Veränderungen Interessierten nicht mehr als linke Kraft wahrgenommen wird. Ich zähle dazu u.a. Menschen, die von der SPD schon endgültig ent-täuscht sind ; die nicht wählen gehen, weil sie bei keiner Partei (!) eine Politik in ihrem Interesse sehen ; die bei attac oder anderswo nach Alternativen zum Klassenkampf von oben (nichts anderes ist Hartz IV) suchen; die eine neue Bewegung/Partei (?) links von der SPD initiieren; die in Gewerkschaften, unter Juristen und Datenschützern laut und öffentlich an der Rechtmäßigkeit und an der Übereinstim-mung von Hartz IV mit dem Grundgesetz (ungeachtet demokratischer Mehrheitsbeschlüsse) zweifeln; die in zahlreichen Organisationen (ISOR, GBM, Arbeitslosenverband u.ä.) gegen konkretes Unrecht aus den letzten 15 Jahren kämpfen.
Und ich hätte mir ein Aufbruchsignal gewünscht, mit dem ein PDS-Minister oder -Senator deutlich ge-macht hätte, dieser Sozialraub ist mit mir nicht zu machen.
Warum ist die Umsetzung von Hartz IV nicht Chefsache des MP z.B. oder des Innenministers ? Wo Hartz doch im Bund Chefsache ist und die Kommunen (also der IM ) ebenfalls involviert sind ? Zufall ? Absicht ? Wenn ja, welche?
Mich bewegen noch mehr Fragen. Viele davon würde ich gern mit Dir diskutieren. Aber ich will die Antwortmail auch nicht über Gebühr ausdehnen.
Ich erlaube mir, Dir zwei Papiere zuzusenden, die das Thema umfangreicher behandeln.
In der Hoffnung auf weitere fruchtbringende, anregende Diskussionen
Peter Kroh
60 Jahre
gelernter Flugzeugbauer
seit 32 Jahren verheiratet, Vater zweier Töchter (30 und 22 Jahre)
promoviert über sozialistische Arbeitsdisziplin
habilitiert über protestantische Arbeitsethik
abgewickelt und 23 Monate hintereinander arbeitslos
Arbeit in Wahlkreisbüros von Cati Muth, Dietmar Bartsch, Torsten Koplin
Mitarbeit im Marxistischen Forum der PDS
ANHANG 1 :
Argumente
für die Hartz-Diskussion 27.1.2003
* Der Mathematiker und
Philosoph Thales , er lebte von 625 bis 546 vor Christus,
meinte :
Gerechtig-keit herrscht dann in einem Volk, wenn es weder übermäßig
Reiche noch
übermäßig Arme gibt.
Wenn ein Großteil der Menschen vom
Arbeitsleben
ausgeschlossen (4 Millionen !!) ist
oder mit seiner Tätigkeit kein existenzsicherndes Einkommen erzielt (Niedriglohnsektor vergrößert sich gewollt
mit Hartz) und zugleich ein anderer Teil – wie man so sagt – „im
Geld
schwimmt“ , dann ist ein
gesellschaftliches Gerechtigkeitsdefizit offensichtlich und wir müssen
nicht
nur in einem engen Sinn über „die
Arbeit“ nachdenken, sondern über die Gesellschaft, in der wir, unsere
Kinder
und Enkel leben und sich wohl fühlen sollen.
* Den ersten Ärger mit den Hartz-Papieren
machte
eigentlich schon die Art und Weise des Zu-standekommens. Zur Erinnerung:
Am 15.August 2002 legte die so
genannte Hartz-Kommission einen Bericht vor. Er hat 343 Seiten und die
Überschrift „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt.“ Am 17.August
2002 stimmte diesen Vorschlägen eine SPD-Parteikonferenz
zu. Am 18.August 2002 stimmte der
Vorstand von Bündnis 90/ Die Grünen zu. Am 20.August
2002 wurden sie in einer Sit-zung des Bundeskabinetts zum
offiziellen
Beschluss der Regierung.
Zu fragen ist: Wer von den Teilnehmern hatte bis zur
Beratung und Entscheidung die 343 Seiten gelesen und
auch noch verstanden ?
* Seit August 2002 wurde dann versucht, jede
Kritik
an den Hartz-Vorschlägen zu verhindern, und zwar mit folgendem Argument
: Bevor die Vorschläge
veröffentlicht wurden, kann es keine sinnvolle Kritik geben, denn die
könnte ja
nur in Unkenntnis der Gesamtheit des Programms geschehen. Nach
der Veröffentlichung der Vorschläge kann es keine
vernünftige Kritik geben, denn jetzt kommt es darauf an, zuzupacken und
nicht
zu lamentieren.
Zu
fragen ist:
Ist das demokratisch oder ähnelt es eher der
Devise: Friß, Vogel oder stirb! ?
Die Gründe, HARTZ abzulehnen
sind sehr umfangreich. Sechs der wichtigsten seien genannt:
1.Bereits
im Mai 1999 konnte man im Spiegel nachlesen, existenzsichernde, sozial- und
tarifrecht-lich abgesicherte Löhne seien »Luxus« . Autoren
waren die sozialdemokratischen Experten
Wolfgang Streeck und Rolf G. Heinze. Dieses Denken wird im Hartz-Papier
konsequent fortgesetzt.
2.Arbeitsmarktprobleme werden bei Hartz überwiegend als Vermittlungsprobleme behandelt. Man be-hauptet, Arbeitsplatznachfrage und Arbeitsplatzangebot kommen nicht zusammen, weil 1. die Arbeits-kräfte nicht ausreichend qualifiziert seien, 2. eine Arbeitskraft in einem Teil des Landes gesucht wer-de, aber nicht hier, sondern nur in einem anderen Teil zur Verfügung stehe und 3.Arbeitskräfte einfa-che Jobs nicht aufnähmen, weil die Sozialleistungen zu hoch seien.
Andere, z. B. strukturelle Gründe der Massenarbeitslosigkeit wie fehlendes Wirtschaftswachstum, De-industrialisierung in Ostdeutschland und insgesamt zu niedriges Arbeitsplatzangebot bleiben ausge-blendet. Folgerichtig wird die Lösung vor allem in konsequenter Vermittlung gesehen. Wenn man aber von falschen Prämissen ausgeht, kommt man auch zu falschen Konsequenzen!
3.
Mit Hartz sollen Arbeitslose lernen, dass sie eigentlich keine
Arbeitslosen,
sondern KundInnen sind, die wiederum von anderen KundInnen, früher
Arbeitgeber
genannt, »ausgeliehen « werden können. Organisiert wird der Handel von
der PSA,
deren zentrales Anliegen »Kundenzufriedenheit « ist. Damit das gelingt,
arbeitet dieses »Herzstück des Abbaus der Arbeitslosigkeit« (Hartz)
nicht nur
mit modern-sten, datenschutzrechtlich bedenklichen Erfassungstechniken,
sondern
kann auch auf Anreizsysteme zurückgreifen: Wenn der Kunde Arbeitsloser
nach
drei bis sechs Monaten immer noch kein Zeit- und Leiharbeiter werden
will,
werden die ohnehin schon gekürzten Gelder nochmals gekürzt. Das gleiche
gilt,
wenn insbesondere junge, ledige, kinderlose PSA-Kunden sich weigern
sollten,
ihre sozialen Bin-dungen für irgendeinen Job aufzugeben und z.B.von
Neubrandenburg nach Baden-Baden oder Ham-burg umzuziehen.
4. Musste früher das Arbeitsamt den Arbeitslosen nachweisen, dass ein Job zumutbar ist, soll nun die Beweislast, dass ein Job unzumutbar ist, bei den Arbeitslosen resp. Kunden liegen. Falls das alles noch nicht hilft, existieren bereits in vielen Kommunen Stabsstellen oder Beschäftigungsgesellschaften, in denen „Kunde“ Arbeitsloser für zusätzliche anderthalb Euro pro Tag, die zur – seit Jahren nicht mehr existenzsichernden – Sozialhilfe hinzugeschlagen werden, endlich sein gesuchtes Gut erhält: Arbeit bzw. in der Fachterminologie »Hilfe zur Arbeit«.
5.
Mit und durch Hartz existieren faktisch Kündigungsschutzregeln nicht
mehr, da
je nach Bedarf die Ware Arbeitskraft wieder an die PSA zurückgegeben
werden
kann. Kündigungen sollen außerdem da-durch seltener werden, dass
Arbeitnehmer
entweder kostenlos auf Probe, gegen geringes Entgelt oder im Rahmen von
Trainingsmaßnahmen eingestellt werden können. Für den Kunden
Arbeitgeber heißt
das u. a., dass die Kosten für das eigene Personal sinken könnten. Doch
den
Arbeitgebern soll es auch nicht zu leicht gemacht werden, denn künftig
müssen
sie Arbeitsplatzbilanzen erstellen. Wer nieman-den freisetzt, d. h.
entlässt,
oder gar jemanden einstellt – wenn die Bilanz also neutral oder gar
positiv ist
–, der erhält eine Belohnung in Form von Nachlässen bei den Beiträgen
zur
Arbeitslosenversiche-rung. Wie wird sich da der „Kunde“ Arbeitgeber
freuen!
6. Ähnlich wie die PSA-Aktivitäten liefert
auch das
Modell Ich-AG politisch höchst komfortable Ne-benwirkungen: Zwar
entstehen
nicht wirklich neue Arbeitsplätze, aber weder Leih- bzw. Zeitarbeiter
noch
Ich-AG-Kleinunternehmerinnen belasten die Arbeitslosigkeitsstatistiken.
Man sieht es sofort:
MIT HARTZ ist es ENDLICH
vollbracht ! Es gibt keine Arbeitgeber und
keine Arbeitnehmer mehr ! Nur noch zwei gleichberechtigte Kunden ! Es
gibt
deshalb auch keinen Kapitalismus
und keine Ausbeutung mehr ! Und die
Statistik über die Arbeitslosigkeit wird auch immer freundli-cher und
schöner!
Man
möge die Ironie verzeihen , aber
manchmal könnte man schon lachen, wenn der gesellschaftliche
Skandal der
Massenarbeitslosigkeit nicht vielmehr Anlass zum Heulen und Schreien
ist !
Die
Kritik zusammenfassend meine ich :
Konservative und neoliberale
Politiker haben es mit HARTZ vor allem auf die Zerstörung der
Schutz-funktionen
des alten Sozial- und Arbeitsrechts abgesehen . Das
„Persönlichkeitsideal“, das in den HARTZ-Gesetzen zum Ausdruck
kommt , ist ein Mensch, der den „Markt“ als Schicksal , als
Lebens-inhalt, als
Identitätsgrundlage verinnerlicht hat und der alle seine
Verhältnisse und Beziehungen an der Meßlatte von Angebot
und Nachfrage prüft und regelt. Aus schöpferischen, rational und
emotional geleiteten Menschen sollen universelle,
zynisch-opportunistische
Kalkulierende werden, die Solidar-strukturen werden zerstört und die
soziale
Polarisierung zwischen „Oben“ und „unten“ wird befördert.
HARTZ
ist weit mehr als einfache Reform auf dem Arbeitsmarkt. HARTZ ist ein
Gesamtkonzept zur Veränderung der Gesellschaft. HARTZ propagiert das
Leitbild
von der völligen Ökonomisierung des menschlichen Lebens.
Leitbilder
sind dazu da, Probleme aus einer vorgegebenen ( ! )
Perspektive zu betrachten .
HARTZ will den Wert der „Ware Arbeitskraft“ korrigieren, sozusagen neu „eichen“. HARTZ
macht Schluss mit dem Rechtssubjekt „Arbeitender Mensch“. HARTZ setzt
an seine
Stelle das Wirtschafts-objekt „Arbeitskraft“. HARTZ macht Schluss mit
gewerkschaftlicher Mitbestimmung. HARTZ setzt an seine Stelle das alles
umfassende Management des Unternehmers. HARTZ tut so, als mache er
Schluss mit
der Existenz von „Arbeitgebern“ und „Arbeitnehmern“, indem er beide zu
Kunden
des Arbeits-amtes, der PSA macht.
Welcher Ausweg ist möglich ,
welche Lösungen kann man angehen ? Dazu drei Gedankengänge :
1. Für den Arbeitsmarkt
braucht Deutschland einen Politikwechsel . Das erfordert zuerst ein
Brechen mit
der herkömmlicher Logik , mit den nicht mehr hinterfragten , scheinbar
„ewigen“
Grundvoraus-setzungen der Arbeitsmarktpolitik. Dazu zählen die
„konzertierte
Aktion“ und das seit Jahren prak-tizierte „Bündnis für Arbeit“ , dessen
Neuauflage ja anscheinend bevorsteht.
Ein Bündnis für Arbeit ist jedoch ein
hilfloser
Versuch , ein Irrweg. Und zwar objektiv ! Das sehen selbst Fachleute
für
Unternehmensführung so. Der ehemalige Europa-Chef von Mc Kinsey und
Mit-glied
der Corporate-Governance-Kommission der Bundesregierung, sagte der
Frankfurter
Allgemei-nen vom 1.3.2002 : Die geplante Umstrukturierung der
Bundesanstalt
„ist ein reines Placebo“, das Zu-sammenwirken von „Gewerkschaften,
Arbeitgeber
und Vertreter der öffentlichen Hand“ ermögliche keine „effektive
Kontrolle der
Bundesanstalt“, denn „Jede dieser Gruppen hat ganz andere Probleme oben
auf
ihrer Agenda.“ .
In der Tat ! Ob
„konzertierte Aktion“ oder „Bündnis für Arbeit“ - das alles ist
Schaulaufen
ohne Punk-tewertung. Man tut etwas, viele Reiche freuen sich, aber ein
menschenwürdiges Ergebnis kommt nicht zustande. Das Bemühen um eine
kapitalistische Ökonomie ohne Arbeitslosigkeit, das ist identisch mit
dem
Bemühen um ein rundes Viereck. Neoliberaler Kapitalismus ohne
Arbeitslosigkeit
? Das hieße , dem Regen die Nässe nehmen !
Wenn wir demnächst wieder aufgefordert werden
, im
„“Bündnis für Arbeit“ weiterhin eine sachge-rechte Lösung für Probleme
auf dem
Arbeitsmarkt zu sehen, dann möchte man die Vertreter solcher Auffassung
bitten
: Seid ganz konsequent und benennt z.B. einen industriell arbeitenden
Schlachthof um in „Bündnis für Steaks.“
Die Rindviecher wissen ja nichts davon.
2. Die PDS will den politischen Streit um die Zukunft unseres Landes voll und ganz auf dem Boden des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland führen. Deshalb z.B. wird sie Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit ständig kritisch prüfen und sich gegebenenfalls politisch dafür einsetzen, den Text an die Wirklichkeit oder die Wirklichkeit an den Text anzupassen.
Natürlich soll man
einerseits die neuen Chancen würdigen, die wir alle durch das
Hinzugewinnen der
klassischen Freiheitsrechte erhalten haben. Das darf
aber andererseits nicht dazu führen darf, die mo-dernen sozialen
Grundrechte gering zu schätzen. Deshalb müssen wir uns z.B. über die
Menschen-rechte im Klaren sein. Sie sind im Artikel 1 des Grundgesetzes
als
Grundlage unserer Gesellschaft hervorgehoben.
Von allen westlichen Industriestaaten sind die Menschenrechte so anerkannt, wie sie die UNO im De-zember 1948 beschlossen hat. Darin heißt es z.B. in Artikel 23 :
„Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf
freie
Berufswahl, auf angemessene und befriedigende Ar-beitsbedingungen sowie
auf
Schutz gegen Arbeitslosigkeit. Alle Menschen haben ohne jede
unter-schiedliche
Behandlung das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Jeder
Mensch, der
arbeitet, hat das Recht auf angemessene und befriedigende Entlohnung,
die ihm
und seiner Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz
sichert
und ... durch andere soziale Schutzmaßnahmen zu ergänzen ist.“
Auch die christlichen Kirchen in der
Bundesrepublik
Deutschland unterscheiden „drei Arten von Men-schenrechten“. Neben
individuellen Freiheits- und politischen Mitwirkungsrechten sind das
die
„wirt-schaftlich - soziale(n) und kulturelle(n) Grundrechte, die den
Anspruch
auf Teilhabe an den Lebens-möglichkeiten der Gesellschaft begründen und
Chancen
menschlicher Entfaltung sichern: Recht auf Bildung und Teilnahme am
kulturellen
Leben, Recht auf Arbeit und faire Arbeitsbedingungen, Recht auf
Eigentum, Recht
auf soziale Sicherung und Gesundheitsversorgung auf Wohnung, Erholung,
Frei-zeit.“ / Für eine Zukunft in Solidarität und
Gerechtigkeit.
Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der
Deutschen
Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in
Deutschland,
Hannover und Bonn 1997, S.26 /
3. Wir werden in der Bundesrepublik dann die
Arbeitslosigkeit
eindämmen und beseitigen, wenn wir uns
lebenswerte Prämissen setzen. Wir werden es lernen müssen, den
Standpunkt
abzulehnen, der Mensch sei für die Wirtschaft da. Wir werden es lernen
müssen,
klar und eindeutig eine Politik zu ma-chen, die statt dessen davon
ausgeht: die
Wirtschaft ist für den Menschen da.
Nur diese Art, ökonomisch zu denken ,
kann (und wird meiner Überzeugung nach ) zu einem politisch wirksamen
Faktor
bei der Bewältigung der Arbeitslosigkeit werden.
Solange jedoch z.B. Löhne,
Gehälter und Steuern nur betriebswirtschaftlich
als gewinnschmälernde Kosten gesehen werden, ist keine Änderung
möglich. Erst
wenn Löhne, Gehälter und Steuern volks-wirtschaftlich
als Ankurbelung konsumtiver Nachfrage und öffentlicher Ausgaben fürs
Gemeinwohl
bewertet und begriffen werden, werden Änderungen möglich. Auch
der immer mal wieder von den „Arbeitgebern“ ins Spiel
gebrachte Lohnverzicht der abhängig Beschäftigten wäre allenfalls
denkbar, wenn
die Unternehmen auf den Profit verzichten und nur noch Kostendeckung
fordern,
wenn die Großaktionäre sich mit ihrem Wertbesitz begnügen und auf
Dividende
verzichten, wenn die Banken nicht leichtsinnig, aber großzügig Kredite
geben
und auf Zinsen über 1,5 % verzichten.
Ist das nicht realisierbar, dann wird Lohnzurückhaltung ebenso wie die
Ausdehnung eines Niedriglohnsektors – wie bisher - nur dazu führen, die
„da
oben“ reicher zu machen, das Gemeinwohl zu schwächen und die Krise in
der
Bundesrepublik zu vertiefen.
Wirtschaftspolitik darf deshalb nicht mehr so
verstanden und betrieben werden , dass für bestimmte Interessen der
Wirtschaft
Politik gemacht wird. Vielmehr muss Politik stärker sichern , dass
wirt-schaftliches Handeln sich an politisch definierten Zielstellungen
ausrichtet. Dafür könnte die im Grundgesetz festgeschriebene
Sozialpflicht des
Eigentums für das Gemeinwohl durchaus eine wesent-liche rechtliche
Grundlage
sein .
Ganz klar : Ja -
Marktwirtschaft brauchen wir, Politik muss sie erst wieder sozial
machen !
Der Weg in die Marktgesellschaft ,
in der nur zählt, was sich rechnet und absolut alles andere eliminiert
wird
(egal ob z.B. Jugendklub, Oper , Lehrer oder Obdachloser) muss
abgebrochen
werden.
Noch einmal sollen die beiden großen
christlichen
Kirchen der Bundesrepublik zitiert werden: „Die Besinnung auf das
Menschenbild
und die Grundwerte, auf denen die Soziale Marktwirtschaft gründet, ist
die
unerläßliche Voraussetzung für eine nachhaltige Verbesserung der
wirtschaftlichen und sozialen Lage.“
/ Für eine Zukunft in
Solidarität
und Gerechtigkeit. Wort des Rates der Evangelischen Kirche in
Deutschland und
der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage
in
Deutschland, Hannover und Bonn 1997,
S.39 /
Blättchen aus dem Wahlkreisbüro von T.
Koplin –
kostenlos, aber gewiss nicht umsonst
SONDERAUSGABE
JANUAR 2003
Die HARTZ -
Reise? Wohin geht sie?
Mit den Hartz-Gesetzen
der
Bundesregierung wird nicht nur der
Arbeitsmarkt, nein unsere Gesell-schaft
wird grundlegend verändert!
DESHALB : Die HARTZ - Reise geht
jede und jeden an. Die Rentnerin wie
den Schüler , die Verkäuferin wie den Hausmeister, den Arbeitssuchenden
wie die
Angestellte im Öffentlichen Dienst, den Busfahrer wie den
Handwerksmeister….
Liebe Leserin, lieber
Leser,
bitte lesen Sie das Blättchen, geben Sie es weiter und sprechen Sie mit
Bekannten darüber!
Warum
bitte ich Sie darum ?
Erstens, wegen
der Art und Weise, wie die
Hartz-Reise zustande kam :
Am 15.August
2002 legte die so genannte Hartz-Kommission einen Bericht
vor. Er hat 343 Seiten und die Überschrift „Moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt.“ Am 17.August 2002
stimmte diesen Vorschlägen eine SPD-Parteikonferenz zu. Am 18.August
2002 stimmte der Vorstand von Bündnis 90/ Die Grünen zu.
Am 20.August 2002 wurden sie in
einer Sitzung des Bundeskabinetts die
zum offiziellen Beschluss der Regierung.
Preisfrage: Wer von den
Teilnehmern hatte
bis zur Beratung und Entscheidung die 343 Seiten gelesen und verstanden?
Seit August 2002 wird
versucht,
jede Kritik an den Hartz-Vorschlägen zu verhindern, und zwar mit
folgendem
Argument :
Bevor die Vorschläge
veröffentlicht wurden, kann es keine sinnvolle Kritik geben, denn die
könnte ja
nur in Unkenntnis der Gesamtheit des Programms geschehen. Nach der
Veröffentlichung der Vor-schläge kann es keine vernünftige Kritik
geben, denn
jetzt kommt es darauf an, zuzupacken und nicht zu lamentieren.
Preisfrage: Ist
das demokratisch oder ähnelt es eher der Devise: Friß, Vogel oder
stirb! ?
Bevor
die Hartz-Reise losging, gab es – Sie erinnern sich? – den Vorwurf der
Faulheit
von Kanzler Schröder an die Arbeitssuchenden, dann gab es das
Job-Aqtiv-Gesetz
und dann den Skandal der Bun-desanstalt für Arbeit wegen der geschönten
(oder
kann man sagen gefälschten?) Zahlen. Das alles half nichts gegen die
Tatsache,
dass sich die Bundesrepublik Deutschland seit den 70er Jahren des
vorigen
Jahrhunderts und bis heute in einer Krise befindet, die durch
dauerhafte
Massenarbeitslosigkeit, fehlen-de existenzsichernde Arbeitsplätze,
schnelle
Zunahme von niedrig bezahlter Arbeit, Zunahme von Ar-mut und
kontinuierlichen Abbau sozialer
Leistungen für Arbeitssuchende gekennzeichnet ist.
Gegen diese Krise sind
mutige
und kreative Reformen dringend erforderlich.
Die
HARTZ-Vorschläge und die darauf basierenden Gesetze der Bundesregierung
sind
jedoch das ge-naue Gegenteil! Sie setzen die krisenhaften Entwicklungen
fort!
Und zwar zu Ungunsten der jetzt noch Arbeit Habenden, der
Arbeitssuchenden, der
Ausbildung Wollenden, letztlich auch zu Ungunsten derer, die ihr
Arbeitsleben
hinter sich haben.
Kann man das beweisen ? JA ! Ich möchte nur drei, allerdings
einschneidende Dinge benennen und damit zum zweiten Teil meiner
eingangs
geäußerten Bitte:
Zweitens, wegen
der sofort bzw. kurzfristig eintretenden Wirkungen, wegen der einen
Seite des was.
1. Die Zusammenlegung
von
Arbeitslosen- und Sozialhilfe bedeutet eine Kürzung der Leistungen für
Erwerbslose. Das Arbeitslosengeld soll künftig nicht mehr wie bisher
gemäß der
Lohnentwicklung dy-namisiert werden. Es soll auch nur noch der Lohn im
letzten
Jahr als Berechnungsgrundlage genommen werden. Das heißt im
Klartext :
Arbeitslose erhalten keinen Ausgleich für den Preisanstieg und bei
Lohnverzicht
oder –reduzierung im letzten Jahr der Beschäftigung verringert sich das
Arbeitslosengeld rapide.
Das
schon geschriebene Gesetz verlangt die verstärkte Berücksichtigung des
Einkommens des Partners und die Heranziehung des Vermögens. Experten
haben
errechnet, dass das einen Verlust von bis zu 110 Euro bedeuten kann und
dass
eine Reihe von Erwerbslosen aus dem Leistungsbezug herausfallen, weil
sie erst
das Vermögen oberhalb des von 520 auf 200 Euro herabgesetzten
Freibetrages
aufbrauchen müssen. Das heißt im Klartext : Vielen wird es
(erst
finanziell und dann bald allgemein) schlechter ge-hen.
2. Mit den sogenannten
Personal-Service-Agenturen (PSA) wird jeder Arbeitssuchende gezwungen,
ein
Leiharbeiter zu werden, wenn es das Arbeitsamt für richtig hält. Er ist
dann
besonders ungeschützt, weil er
befristet beschäftigt ist, weil er von der Mitbestimmung
ausgeschlossen ist, weil sein Lohn unter dem der
regulär im Betrieb Beschäftigten liegt (z.Z.ca.30 ! %)
Künftig soll ihm in den
ersten 6 Monaten Lohn in Höhe des Arbeitslosengeldes
gezahlt
werden.
Das
heißt im Klartext: Die Ware Arbeitskraft
wird nicht nur billiger (für
den sog. Arbeitgeber ein gro-ßer Vorteil), sondern ihr Besitzer
unterliegt
erheblichen Zwängen (für den sog. Arbeitnehmer ein großer Nachteil)
3. Ab dem 7. Monat der
Arbeitslosigkeit ist jedem jede Arbeit , die in Höhe des
Arbeitslosengeldes
ent-lohnt wird, zumutbar; jungen Singles ab dem 3.Monat. Will man das
nicht,
muss es der Arbeitssuchen-de beweisen. Anerkennt das Arbeitsamt diesen
Beweis
nicht, hat das Leistungskürzungen bzw. vollstän-dige Streichung der
Leistung
zur Folge. Es gibt allerdings ein schönes Prinzip der „Freiwilligkeit“.
„Niemand ist gezwungen, eine angebotene Stelle anzunehmen, in die PSA
einzutreten oder an einer Maßnahme zur Integrationsförderung
teilzunehmen“
heißt es auf Seite 97 der 343 HARTZ-Seiten. Nur hat das dann leider zur
Folge,
dass er ohne Leistungen des Arbeitsamtes leben darf..
Das
heißt im Klartext:
Sowohl
das Arbeitsamt als auch der Arbeitssuchende haben neue Freiheiten.
Jeder seine!
Auf
weitere Details muß ich verzichten , um meine anfangs geäußerte Bitte
mit
Hinweisen auf die all-gemeinen Folgen zu belegen.
Drittens also
bitte ich Sie, das Blättchen, zu lesen, es weiterzugeben und mit
Bekannten
darüber zu sprechen , wegen der langfristigen Wirkungen, der anderen
Seite des was.
HARTZ ist weit mehr
als einfache Reform auf dem
Arbeitsmarkt. HARTZ ist ein Gesamtkonzept zur Veränderung der
Gesellschaft.
HARTZ überträgt das Leitbild der sächsisch-bayerischen
CDU-Zu-kunftskommision
in SPD-Politik. HARTZ propagiert das Leitbild von der völligen
Ökonomisierung
des menschlichen Lebens aus unternehmerischer Sicht.
Leitbilder sind dazu
da, Probleme aus einer
vorgegebenen Perspektive zu betrachten .
HARTZ will den Wert
der „Ware
Arbeitskraft“ korrigieren, sozusagen
neu „eichen“. HARTZ macht Schluß mit dem Rechtssubjekt „Arbeitender
Mensch“.
HARTZ setzt an seine Stelle das Wirtschafts-objekt „Arbeitskraft“.
HARTZ macht
Schluß mit gewerkschaftlicher Mitbestimmung. HARTZ setzt an seine
Stelle das
alles umfassende Management des Unternehmers. HARTZ tut so, als mache
er Schluß
mit der Existenz von „Arbeitgebern“ und „Arbeitnehmern“, indem er beide
zu
Kunden des Arbeitsam-tes, der PSA macht.
Wie
sieht das konkret aus?
Der (ehemalige?)
Arbeitgeber
als Kunde bei PSA :
* erhält umfassenden
Einblick
in das zur Verfügung stehende Angebot an Humankapital
* kann die Ware
Arbeitskraft
kostenlos auf Probe oder gegen geringes Entgelt einstellen
* erhält dafür einen
Nachlass
bei seinem Anteil an der Arbeitslosenversicherung
* kann die Ware
Arbeitskraft
jederzeit an PSA zurückgeben
Der (ehemalige?)
Arbeitnehmer
als Kunde bei PSA :
* darf sich zu von ihm
unbeeinflussbaren Bedingungen ausleihen lassen
* will er das nicht,
bekommt er
gekürzte Gelder
* kann dann beim
Sozialamt für
1,5 Euro proTag um Arbeit nachsuchen.
Man erkennt sofort :
Zwei gleichberechtigte Kunden ! Kein
Kapitalismus
mehr ! Keine Ausbeutung mehr !
Mit
HARTZ – vorwärts zu den lichten Höhen der modernen
Dienstleistungsgesellschaft !
Sind
Sie eventuell anderer
Meinung?
Dann sagen Sie sie
der/dem Abgeordneten Ihrer Wahl Oder Ihrer
Gewerkschaft Oder Ihrer Regierung Oder Ihrer Zeitung
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
ANHANG 2
Etwas zum
Nachdenken[und vielleicht zum
Nach-Denken?]
Zitiert
aus UTOPIE kreativ, H. 159 (Januar 2004), S. 64-67
Es sollte kein
Armer unter Euch sein. /1/
Anfragen
zur Agenda 2010 der Bundesregierung – und eine Antwort
1
Der Titel lautet in Gänze: »Es sollte kein Armer unter Euch sein (5.
Moses
15,4) oder: technischen Fortschritt in sozialen Fortschritt übersetzen.
Anfragen an die Agenda 2010 der Bundesregierung.
Im
Auftrag der Synode des Kirchenkreises Herne beschlossen und
herausgegeben vom
Sozialausschuß des Kirchenkreises
Herne,
Juli 2003.«
Im
Juli 2003 veröffentlichte der Sozialausschuß des Kirchenkreises
Herne im Auftrag seiner Synode das im folgenden abgedruckte Papier.
Mitglieder
des Ausschusses sandten es an Ab-geordnete des Deutschen Bundestages
weiter.
Wir
sind Teil der evangelischen Kirche im Herzen des Ruhrgebiets. Also in
einer
Region, in der die Menschen und die unterschiedlichen Institutionen und
Organisationen seit mehreren Jahrzehnten daran arbeiten, den Umbruch
von der
alten Schwerindustrie zur Dienstleistungs-gesellschaft zu bewältigen.
Die
offizielle Arbeitslosigkeit beträgt in Herne zur Zeit 15,2% und in
Castrop-Rauxel 11,6% (Stand: Mai 2003). Rund 40% der arbeitslosen
Mitbürgerinnen und Mitbürger sind so genannte Langzeitarbeitslose: also
länger
als ein Jahr, nicht selten seit vie-len Jahren arbeitslos. Seit Jahren
leisten
die hier lebenden Menschen Verzicht in Form von Arbeitsplatzverlusten
und
Leistungskürzungen, um den Strukturwandel zu bewältigen. Gezeigt hat
sich, daß
Leistungskürzungen für Arbeitslose und SozialhilfeempfängerInnen in
unserer
Region zu spürbaren Kaufkraftverlusten führen. Statt daß es zu einer
Verbesserung der allgemeinen Lage in Form neuer auskömmlicher
Arbeitsplätze
kommt, verschärft sich die öffentliche Armut, die dann zu neuen
Leistungskürzungen treibt – mit der Folge einer weite-ren Zunahme
privater
Armut.
Vor
diesem sozialen Hintergrund bestreitet wohl kaum jemand, daß Reformen
nötig
bzw. überfällig sind. Doch gerade vor diesem Hintergrund sind die
Reformen, die
gegenwärtig auf den Weg gebracht werden, nur schwer nachvollziehbar.
Die
Reformen sprechen von Fördern und Fordern. Unterstellt wird damit vor
allem,
daß Arbeitslose in der Vergangenheit zu wenig gefordert seien. Wer die
Realität
im Ruhrgebiet kennt, weiß aber, dass allein in den neunziger Jahren
Hunderttausende von Industriearbeitsplätzen und Arbeitsplätzen in den
klassischen Dienstleistungsbereichen abgebaut worden sind (
Vergleichbares gilt
für weite Teile Ost-deutschlands). Im Ergebnis fehlen heute rund 6 bis
7
Millionen Arbeitsplätze in der gesamten Republik.
Daraus
resultiert eine erste
Frage:
Was
bewegt Politiker angesichts dieser Realität zu der Annahme,
Arbeitslosigkeit
könne da-durch abgebaut werden, daß Arbeitslose mehr gefordert, stärker
unter Druck
gesetzt werden? Der größte Teil von ihnen leidet doch schon jetzt unter
der
Situation der Ausgrenzung durch Arbeitslosigkeit.
Eine
weitere Frage schließt
sich direkt an.
Die
gegenwärtigen Reformvorschläge unterstellen als eine zweite wesentliche
Ursache
von Arbeitslosigkeit Organisationsprobleme der Arbeitsverwaltung. Auch
wir
sehen, daß es Re-formbedarf in der Arbeitsverwaltung gibt. Dennoch
stellt sich
die Frage, wie durch eine Reor-ganisation der Arbeitsverwaltung das
strukturelle Arbeitsplatzdefizit in unserer Gesellschaft überwunden
werden
soll.
Zum
Beginn des Jahres 2003 ist das Gesetzespaket »Moderne Dienstleistungen
am
Arbeits-markt« in Kraft getreten. Die bisherigen Erfahrungen damit
stimmen die
Betroffenen wenig optimistisch. Die Beraterinnen und Berater aus
Arbeitslosenzentren berichten von großer Ver-unsicherung unter den
Arbeitslosen, aber auch unter den Beschäftigten der Arbeitsämter. Die
Rede ist
von Informationsdefiziten, gelegentlich auch von Informationschaos in
den
Arbeits-ämtern. Mitarbeiter aus den Arbeitsämtern beklagen, daß der
Umbau
»Arbeitsamt 2000« durch die neuen Gesetze abrupt abgebrochen wurde. Die
meisten
Arbeitslosenzentren und Ar-beitslosenberatungsstellen, die seit vielen
Jahren
eine wichtige und gute Arbeit leisten, wer-den in unserer Region nur
noch bis
Ende 2003 gefördert. Dann müssen sie geschlossen wer-den, weil die
Förderprogramme eingestellt werden.
Beschäftigungs-
und Qualifizierungsinitiativen und Beschäftigungs-und
Qualifizierungsge-sellschaften, die in vielen Jahren ein großes
know-how
aufgebaut haben, die überprüfbar er-folgreich arbeiten, die bei der
Bewältigung
des Strukturwandels eine wichtige soziale Rolle spielen und wichtige
psychologische Funktionen wahrnehmen, sind durch die genannten Ge-setze
ebenso
in ihrer Existenz bedroht wie die Arbeitslosenzentren und
Arbeitslosenbera-tungsstellen.
Für
alle Betroffenen sind diese Entwicklungen nicht mehr nachvollziehbar.
Was hat
die skiz-zierte Zerschlagung sozialer Infrastrukturen mit Reformen zu
tun,
fragen viele Betroffene, wie sollen so Arbeitsplätze geschaffen werden
– werden
doch hier erst einmal vorhandene Ar-beitsplätze im Rahmen dieser
sozialen
Infrastruktur abgeschafft. Gerade in dieser skizzierten sozialen
Infrastruktur
liegen Entwicklungspotentiale für ein sogenanntes Drittes System
(Drit-ter
Sektor), das gesellschaftlich nötige Arbeit – wie zum Beispiel
personale
Dienstleistungen, die eben nicht immer marktgängig sind – organisieren
kann.
Nicht die Abschaffung, sondern die sinnvolle Weiterentwicklung von
Förderinstrumenten hin zu einer Grundstruktur eines Dritten Systems
wäre
politisch angesagt.
Was
hindert Politiker, was hindert unsere Gesellschaft daran, diesen Impuls
aufzunehmen, der ja doch mittlerweile von gar nicht so wenigen
Fachleuten immer
wieder in die Diskussion ein-gebracht wird? Es gibt genügend Beispiele,
die
hoffnungsvoll sind, die nun aber in ihrer Exi-stenz bedroht sind.
Abschließend
wollen wir noch ein paar grundsätzlichere Fragen stellen.
Im
fünften Buch Moses im 15. Kapitel im Vers 4 heißt es: »Es sollte
überhaupt kein
Armer unter euch sein; denn Gott wird dich segnen in dem Lande, das er
dir zum
Erbe geben wird.« Dies ist einer der elementarsten sozialethischen
Maßstäbe, an
denen eine Gesellschaft sich messen lassen muß – nicht nur aus
christlicher
Sicht.
Von
dieser Ausgangsposition herkommend, können wir die Diskussion um
Niedriglohn-Jobs, die vorwiegend für Arbeitslose vorgesehen sind, nicht
nachvollziehen.
Wovon
sollen Menschen im sogenannten Niedriglohnsektor leben? Mit welchem
Recht soll
wer in unserer Gesellschaft entscheiden, wer sein Dasein im
Niedriglohnsektor
fristen muß und wer nicht? Auf welcher ethischen Grundlage beruht die
Forderung
nach einem Niedrig-lohnsektor für einen Teil der Männer und Frauen in
unserer
Gesellschaft?
Nach den USA und Japan stellt die BRD die stärkste und leistungsfähigste Volkswirtschaft weltweit dar. Wieso soll es in diesem Land nicht möglich sein, jeder Bürgerin und jedem Bür-ger im arbeitsfähigen Alter eine sinnvolle und menschenwürdige Arbeit und ein auskömmli-ches Einkommen anzubieten und zur Verfügung zu stellen?
Die
gegenwärtig am
häufigsten diskutierte Frage heißt: Wie können die Kosten der Arbeit
ge-senkt
werden?
Muß
die Frage aber nicht heißen: Wie können wir alle Männer und Frauen in
unserer
Gesell-schaft so an Arbeit und Einkommen beteiligen, daß sie ein
auskömmliches
Einkommen be-kommen und ein gutes und sinnerfülltes Leben leben können?
Oder
etwas anders formuliert: Wie läßt sich der enorme technische
Fortschritt, der
in den vergangenen Jahrzehnten zum Abbau hunderttausender Arbeitsplätze
und zu
einer immensen Steigerung der Produktivität geführt hat, endlich in
sozialen
Fortschritt übersetzen? Und zwar derart, daß junge Menschen eine gute
und
zukunftsfähige Ausbildung in Schule und Beruf erhalten; daß die
arbeitslosen
Mitbürgerinnen und Mitbürger wieder in unsere Gesellschaft integriert
werden;
daß kranken Menschen die nötige Hilfe zuteil wird – auch wenn sie alt
sind; und
daß alten Menschen ein Lebensabend in Würde ermöglicht wird – auch wenn
sie
krank sind.
Anfang
September ging beim Sozialausschuß des Kirchenkreises Herne
folgende Antwort von einem SPD-Abgeordneten des Deutschen Bundestages
ein, der
laut Website des Bundestages auch langjähriger Gewerkschaftssekretär
ist /2/
/2/
Der Name des SPD-Abgeordneten ist der Redaktion bekannt. Eine
schriftliche Anfrage vom 13. November 2003 an den Abgeordneten mit der
Bitte um
die Erlaubnis, seinen Namen drucken zu dürfen, blieb unbeantwortet.
Sehr
geehrte Frau S.,
ungeachtet
der Tatsache, daß es sich nicht um einen Text Ihres Kirchenkreises
handelt,
rege ich an, jetzt nur noch den Wunsch nach Freibier für alle
anzufügen. Damit
wäre dann die For-derungsliste komplett.
Zum
Thema kann ich Ihnen mitteilen, daß ich gerade von Besuchen in
Kinderwaisenhäusern
in Weißrußland und aus verschiedenen Flüchtlingslagern in Aserbaidshan
zurückgekehrt bin. Ich bin gerne bereit, Ihnen ausführlicher über meine
Erfahrungen zu berichten. Die Menschen dort sehnen sich geradezu – wie
übrigens
auch ein Großteil der Menschen in vergleichbaren Industrienationen –
nach
unserem »Sozialabbau«. Sollte ich bei Ihnen jetzt wenigstens etwas
Nachdenklichkeit bewirkt haben, würde ich mich sehr freuen. Ich
vertrete aber
dessen unge-achtet gerne die Interessen der Menschen, die in der Lage
sind,
über ihren Tellerrand hinaus-zublicken und auch gegenüber anderen und
nachfolgenden Generationen einen Hauch von Verantwortung zu übernehmen
bereit
sind. Gerade deshalb unterstütze ich die Agenda 2010 auch weiterhin mit
Nachdruck.
Mit
freundlichen Grüßen.
Auf
dieses Schreiben antwortete Jürgen Klute, Sozialpfarrer des
Kirchenkreises Herne, wie folgt: /3/
/3/
Jürgen Klute, evangelischer Sozialethiker, Industrie-und
Sozialpfarrer,Leiter des Sozial-pfarramtes des Kirchenkreises Herne.
Jürgen
Klute hat der Redaktion die Erlaubnis erteilt, seinen Namen in diesem
Briefwechsel anzugeben.
Als
Sozialpfarrer des Kirchenkreises Herne habe ich die Stellungnahme in
Abstimmung
mit dem Sozialausschuß, der Kreissynode und dem Kreissynodalvorstand
erarbeitet
und formu-liert. Die Synode hat den Auftrag zu diesem Papier gegeben.
Sozialausschuß und Kreissyno-dalausschuß haben es verabschiedet per
Beschluß.
Daß
ein sozialdemokratischer Bundestagsabgeordneter, der zudem auch noch
Gewerkschafts-sekretär ist, sich auf ein solches Niveau herunterläßt,
wie Ihr
Brief an Frau S. es repräsentiert, erschreckt und irritiert mich.
Im
übrigen habe ich die Agenda 2010 bisher als ein innergesellschaftliches
Umverteilungs-papier gelesen. Daß es um eine Wohlstandsabsenkung
innerhalb der
Bundesrepublik mit ei-nem entwicklungspolitischen Ziel gehen soll –
also einer
Wohlstandsmehrung in Ländern wie Aserbaidshan – ist mir in der
bisherigen
Diskussion um die Agenda 2010 schlicht entgangen.
Darüber hinaus habe ich die Politik der SPD und vor allem der Gewerkschaften bisher so ver-standen, daß es um die Überwindung von Not und Elend durch eine gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Wohlstands geht. Daß die Not von Menschen in anderen Teilen der Welt dazu herhalten muß, um den kleinen Leuten bei uns den bescheidenen Wohlstand, in dem sie zugegebenermaßen leben, streitig zu machen, um den privaten Reichtum in unserer Gesell-schaft weiter zu mehren, ist mir als Element gewerkschaftlicher Politik (und eigentlich auch sozialdemokratischer Politik – zumindest historisch betrachtet) neu.
Ich
bin gespannt auf die nächsten Wahlen.
Mit
freundlichen Grüßen
Jürgen
Klute
Rand-
und Zusatzbemerkung:
Nach
dem Erscheinen des Artikels / und das ist
zuerst natürlich ein zeitlicher Zusammenhang, aber mit Blick auf die
vom
Kirchenkreis Herne angesprochenen Inhalte wahrscheinlich auch ein
ursächlicher
Zusammenhang / gab es bekanntlich im Jahre 2004 mehrere Wahlen.
Die
SPD erreichte
bei
den Landtagswahlen Hamburg
30,5
%
[-6,0 % ]
bei
den Kommunalwahlen MV
19,1
%
[-4,9 % ]
bei
den Kommunalwahlen Sachs/Anh.
19,8
%
[-8,0 % ]
bei
den Kommunalwahlen Rheinl./Pf.
28,9
%
[-7,2 % ]
bei
den Kommunalwahlen Bad./Württ.
22,5
%
[-1,5 % ]
bei
den Kommunalwahlen Saarl.
36,1
%
[-7,1 % ]
bei
den Landtagswahlen Thür.
14,5
%
[- 4,0 % ]
bei
den bundesweiten Europawahlen
21,35
[- 9,2 % ]
bei
den Kommunalwahlen Thür.
15,3
%
[- 8,8 % ]
bei
den Landtagswahl in Saarl.
30,8
%
[-13,5 %]
bei
den Landtagswahlen in Bra.
31,9
%
[ - 7,4 %]
bei
den Landtagswahlen in Sachs.
9,8
%
[ -0,9 % ]
bei
den Kommunalwahlen in NRW
31,1
%
[ -2,7 % ]
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Schwerin,
15. September 2004. Bei der
ersten Lesung des
"Entwurfs eines Gesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur
Ausführung
des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch" der Fraktionen SPD und PDS im Landtag nimmt heute Helmut Holter,
Minister für Arbeit, Bau
und Landesentwicklung, das Wort.
Hier
Auszüge aus dem Redemanuskript.
Ein Landesausführungsgesetz kann im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nach Ar-tikel 74 Nr. 7 Grundgesetz nur organisatorische und verfahrensrechtliche Bestimmungen ent-halten. Für landesrechtliche Vorschriften materiell-rechtlicher Art besteht keine Grundlage. Daraus folgt, dass Mitwirkung am Ausführungsgesetz nicht heißt, den Inhalten von Hartz IV zuzustimmen! Es ist daher weder politisch noch rechtlich ein Widerspruch, die Regelungen des Bundesgesetzgebers für fachlich falsch und ungeeignet zu halten - gleichwohl zügig die Voraussetzungen für einen reibungslosen Gesetzesvollzug zu schaffen.
Während also verwaltungsmäßig viel auf gutem
Wege
ist, offenbaren sich immer mehr die Schwächen und Fehlkonstruktionen
des
Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen auf dem Arbeitsmarkt. Ich
werde
auch künftig nicht mit an der Legende stricken, nach der Hartz IV ein
richtiges
Gesetz ist, das nur falsch verstanden wird. Es ist ein zumindest für
den Osten
falsches Gesetz, und das verstehen die Menschen auf der Straße richtig!
Lassen
Sie mich da-für drei Beispiele nennen, die ich auch in der von der
Bundesregierung einberufenen Monito-ringgruppe Ost angebracht habe.
Erstens. Es ist nicht
nachvollziehbar, dass 14 Jahre nach der Vereinigung die Grundsicherung
für den Osten
auf 331 Euro und für den Westen auf 345 Euro festgelegt wird. Dies,
obwohl die
Warenkörbe in Ost und West gleich sind und sich auch die Preise
beispielsweise
für Grundnahrungsmittel nicht unterscheiden. Bezeichnenderweise teilt
der große
Lebensmittel-discounter ALDI für seine Produktpalette und
Geschäftsbereiche die
Bundesrepublik in ALDI Nord und ALDI Süd auf, nicht jedoch in Ost und
West. Im
Übrigen bin ich der Auffassung, dass die genannten Beträge weder in Ost
noch in
West ausreichen, um den Lebensunterhalt zu sichern.
Höhere Beträge im Vergleich zur bisherigen
Sozialhilfe täuschen darüber hinweg, dass durch den Wegfall von
Einmalleistungen, wie Bekleidungsgeld oder der Ersatz von
Haushaltsgerä-ten
diese Erhöhungen mehrfach kompensiert werden. Von was sollen eine
Waschmaschine, ein Herd, ein Kühlschrank repariert werden? Wer glaubt,
dass von
den 331 Euro etwas für solche Sonderbelastungen zurückgelegt und
gespart werden
kann, ist lebensfremd. Ich halte einen Betrag von 400 Euro in Ost und
West als Grundsicherung
für angemessen und eine An-hebung für dringend geboten
.
Zweitens. Bei der Schaffung von
Arbeitsgelegenheiten werden die Mehraufwandsentschädi-gungen von ein
bis zwei
Euro zu recht nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Aber bei ei-ner
Annahme
eines Jobs, bei dem bis zu 400 Euro hinzu verdient werden kann, erfolgt
grund-sätzlich eine 85prozentige Anrechnung auf das Arbeitslosengeld II.
Das passt doch
nicht zusammen! Eine solche Konstruktion ist nicht geeignet, Anreize
für die
Aufnahme einer Beschäftigung zu geben. Sie fördert faktisch
Schwarzarbeit.
Hinzu kommt, dass die Arbeitsgelegenheiten den Menschen keine
Perspektive auf
eine Integration in den all-gemeinen Arbeitsmarkt eröffnen. Es ist eher
zu
befürchten, dass sie im Gegenteil dazu beitra-gen,
Dauerarbeitslosigkeit zu
verfestigen. Es kann in der Arbeitsmarktpolitik doch nicht dar-um
gehen, die
Statistik zu schönen.
Drittens. Ein Skandal ist es, dass
die Bundesregierung sich weigert, den Personen, die unter die so
genannte 58er
Regelung fallen, Vertrauensschutz zu gewähren. Mit der Regelung des
Paragraphen
428 im Sozialgesetzbuch III sollte Arbeitnehmern, die das 58.
Lebensjahr
vollen-det haben, der Bezug von Arbeitslosengeld unter erleichterten
Voraussetzungen ermöglicht werden, wenn sie sich verpflichten, zum
frühest
möglichen Zeitpunkt Altersrente zu beantra-gen. Vielen älteren
Arbeitslosen
wurde von den Arbeitsagenturen dieser Weg in die Rente sehr, sehr nahe
gelegt.
Viele haben auf die Zusage vertraut, dass es bis zum Eintritt in die
Rente bei
den Leistungen bleibt. Nun ist alles nicht mehr wahr - sie sehen sich
faktisch
in die Sozialhilfe gedrängt.
Die
Bundesagentur wird nach eigenen Angaben nur in der Lage sein, für jeden
vierten
Lang-zeitarbeitslosen über 25 Jahre eine Arbeitsgelegenheit anzubieten.
Bei
jungen Menschen unter 25 Jahren soll nur für jeden zweiten eine
Arbeitsgelegenheit geschaffen werden, obwohl das Gesetz eine
Aktivierung aller
unter 25-jährigen verspricht. Was wird mit den anderen? Welche Angebote
werden
Arbeitslosen gemacht, wenn die Arbeitsgelegenheit nach sechs bis neun
Monaten
ausgelaufen ist? Welche Perspektive gibt es dann? Vorhang zu und alle
Fragen
offen!
"Fördern und Fordern" ist die
Hartz-Philosophie. Vor dem Hintergrund eines rückläu-figen Anteils des
Ostens
an den Eingliederungsleistungen verliert das Fördern seine fi-nanzielle
Basis.
Es bleibt bei den Forderungen und Zumutungen für Arbeitslose. Die
Vielzahl von
konzeptionellen Ungereimtheiten und Fehlern und die demonstrative
Igno-ranz,
mit der in Berlin mit berechtigten Sorgen und Nöten der Bürger
umgegangen wird,
erbost die Menschen. Die Empörung ist berechtigt und der Protest
legitim.
Trotzdem müssen
die Institutionen, die Parlamente und Verwaltungen in den Ländern,
unab-hängig
von ihrer politischen Orientierung und Bewertung der Politik der
Bundesregierung dafür sorgen, dass die Landkreise und kreisfreien
Städte
handlungsfähig werden. Die Lei-stungsempfänger müssen pünktlich und
zuverlässig
das erhalten, was ihnen zusteht. Ich bitte Sie daher um eine
konstruktive und
zügige Beratung des Gesetzentwurfs.
Dazu fallen mir nur
drei Sätze ein :
1.Den Leistungsempfängern steht mehr zu,
als sie durch Hartz IV erhalten; sowohl mehr Geld als auch und vor
allem ein
existenzsichernder Arbeitsplatz !
2. ALLES WIRD GUT ( für die da oben ),
ABER NICHTS WIRD BESSER ( für die da unten ).
3. Auch mit Hilfe der PDS.
Saftiger,
zynischer, aber sachlich korrekt sagt es ein Leserbrief in der jungen
Welt vom
20.09.2004
Rainer
Steinberg Unverschämt
Michael
Rogowski hat gefordert, die Wirtschaft aus der Sozialpartnerschaft zu
entlassen
– weil die Unternehmen seiner Meinung nach mit der Schaffung von
Arbeitsplätzen
bereits genug für die Ge-sellschaft tun.
Damit wollte er
wohl in erster Linie klarstellen, wer das Sagen im Land hat. Die
»Reformen«
werden ihm nicht konsequent genug umgesetzt. Wäre auch noch schöner,
wenn eine
Regierung angesichts von Massenprotesten weiche Knie bekommt und der
Wirtschaft
aus Feigheit die »unbedingte Solidarität« verweigert. Die Botschaft
scheint
angekommen zu sein. Protest gegen diese Unverschämtheit kommt
bestenfalls aus
der dritten bis fünften Reihe der Politik.
Der allzeit bereite Kanzler hat postwendend als Verursacher des
Rogowskischen
Unmuts die »Mitneh-mermentalität bis weit in die Mittelschicht hinein«
abgekanzelt. (Nun weiß ich endlich, warum sich der offizielle
Regierungschef
»Kanzler« nennt).
Das bißchen verbliebene Staatsknete wird doch dringend benötigt, um den
verehrungswürdigen Ar-beitsplatzschöpfern z.B. von Vodafone den durch
die
reifen Managerleistungen von Ackermann, Esser & Co. und den damit
verdienten Prämien an die Schadensverursacher, entstandenen Verluste zu
er-setzen.
Da
verbietet es geradezu der Anstand, daß eine Familie mit ausreichendem
Arbeitseinkommen (wie viel das genau ist, hat der Kanzler nicht
definiert; bei
dem ihm eigenen Gerechtigkeitssinn dürfte es wohl nicht wesentlich
niedriger
als ALG II sein) auch noch das Kindergeld mitnimmt. Das kann sich
natürlich
kein Sozialstaat auf Dauer leisten, der es sich zum Ziel gestellt hat,
Spitzeneinkommen von allen Abgaben zu befreien.
Wissenschaftszentrum
Berlin
S t u d i e z
u A n t i - H
a r t z – I V – D e m o
n s t r a n t e n
(vgl. auch
ND vom 22..9.2004, S.5)
Wer
sind die Demonstrierenden gegen Hartz IV?
Die
Untersuchung
Am Montag des 13.
September fanden Proteste gegen
Hartz IV in ca. 150 deutschen Städten –
von Aachen bis
Zwickau - statt. An diesem Tag wurden
Protestierende in Dortmund, Leipzig,
Magdeburg und
Berlin in einer weitgehend standardisierten
Erhebung befragt. Während der De-monstrationen in den vier Städten
wurden
insgesamt über 1600 Fragebögen verteilt und zudem in Berlin und
Magdeburg 363
direkte Interviews durchgeführt. Von allen Demonstrierenden wurden die
Befragten nach einem zufälligen Schema ausgewählt.
Insgesamt war die
Bereitschaft der Demonstrierenden,
an der Befragung teilzunehmen, über-durchschnittlich hoch. So betrug
die
Rücklaufquote für die Fragebögen, die per Post eingesen-det wurden, ca.
40%.
Auch die Quote
der Befragten in Relation zur Zahl
der Demonstrierenden ist mit insgesamt 10 % relativ hoch. Eine hohe
Bereitschaft Demonstrierender, an der Befragung teilzunehmen, konnte
auch schon
bei der Befragung von Teilnehmern der Anti-Kriegsdemonstration am
15.Februar
2003 festgestellt werden.
Wir haben bei den
nachfolgend vorgestellten
Ergebnissen keine Gewichtung entsprechend der unterschiedlichen Zahl
der
Demonstrierenden in den vier Städten vorgenommen. Vielmehr legen wir
jeweils
die tatsächliche Zahl der Befragten zugrunde. Das bedeutet, dass bei
summarischen Angaben über alle vier Städte hinweg oder auch bei
Vergleichen
zwischen den überwiegend im Westen oder im Osten aufgewachsenen
Befragten die
Demonstranten in Dortmund wegen der günstigen Relation Demonstrierende
versus
Befragte überrepräsentiert sind, während die Demonstrierende in Berlin
und
Leipzig unterrepräsentiert sind.
Hinzuweisen ist
auch darauf, dass die Teilnehmer des
schwarz-roten Blocks der Linksradikalen in Berlin und des
rechtsradikalen
Blocks in Magdeburg der Befragung nicht zugänglich waren. In beiden
Fällen
handelte es sich jedoch um eine deutliche Minderheit der
Demonstrierenden.
Insgesamt zeichnen wir mit unseren Daten ein relativ genaues Bild der
am 13.
September in den vier Städten Demonstrierenden – ein Bild, das
vermutlich auch
auf die Gesamtheit der Demonstrierenden zumindest im Groben zutrifft.
Ausgewählte
Ergebnisse
1.
Grundlegende Merkmale der
Protestierenden
Mit ca. 64 % der
Befragten waren deutlich mehr
Männer als Frauen bei den untersuchten Protesten vertreten.
Bemerkenswert ist,
dass in Leipzig und Magdeburg (jeweils 42 %) der Anteil der Frauen
deutlich
höher war als in Berlin und Dortmund (33 % bzw. 31 %).
Insgesamt waren
die Demonstrierenden deutlich älter
als die übrige Bevölkerung Deutschlands. Üblicherweise sind bei
politischen
Demonstrationen die 15-25Jährigen stärker und die über 45Jährigen
schwächer in
Relation zur Gesamtbevölkerung vertreten. Eine genauere Betrachtung der
Demonstrierenden in den vier Städten zeigt, dass die Altersgruppe 45
bis
64Jährigen mit ca. 52 % vertreten war. Es protestierte somit diejenige
Altersgruppe, deren Integration in den Arbeitsmarkt am schwierigsten
erscheint.
Die nicht zu den Betroffenen von Hartz IV zählende Gruppe im Alter von
mindestens 65 Jahren war unter den Demonstrierenden mit einem Anteil
von etwa
10 % vertreten.
Insgesamt war der
Bildungsstand der Demonstrierenden
deutlich höher als im Bundesdurch-schnitt. Unter den Befragten waren
mehr als
doppelt so viele Bürger mit (Fach-) Hochschulreife (ca. 47 Prozent) als
im
Bundesdurchschnitt (21 Prozent). Dieser Befund verstärkt die durch die
Untersuchung der Anti-Kriegsdemonstration am 15. Februar 2003 gewonnene
Erkenntnis, dass Demonstrierende im Durchschnitt gebildeter sind als
die übrige
Bevölkerung. Demonstriert haben vorwiegend Angestellte und Arbeiter.
Insgesamt
gab ein großer Anteil der Befragten an, in hochqualifizierten Berufen
tätig zu
sein oder tätig gewesen zu sein. In Hinsicht auf ihre berufliche
Stellung, die
sie ausüben oder ausübten, bilden die Demonstrierenden in etwa die
Bevölkerung
ab. Eine besondere Ausnahme stellen die Beamten dar, die deutlich
unterrepräsentiert sind.
2.
Betroffenheit von und
Informationsstand zu Hartz IV
Bislang ungeklärt
war die Frage, ob die Hartz
IV-Proteste überwiegend von den unmittelbar Betroffenen getragen sind.
Tatsächlich bieten die Protestteilnehmer in den vier untersuchten
Städ-en ein
sehr gemischtes Bild. Zusammengenommen waren insgesamt 40 Prozent der
Befragten
arbeitslos. Überraschend hoch war die Beteiligung von Rentnern und
Pensionären
mit einem Anteil von 18 %. Immerhin 28 % der Demonstrierenden ist
jedoch
berufstätig. Lediglich in Leipzig waren die Arbeitslosen mit 53 % knapp
in der
Mehrheit der Protestierenden. Am niedrigsten lag ihr Anteil in Berlin
mit ca.
35 %. Bezieher von Arbeitslosenhilfe waren in allen vier Städten
deutlich
stärker vertreten als Sozialhilfe- Empfänger und Bezieher von
Arbeitslosengeld.
Die Auswirkungen
der Hartz IV Reform sind im Umfeld
der Demonstrierenden unmittelbar spürbar. Insgesamt 87 % der Befragten
gab an,
dass jemand in Familie oder Bekanntenkreis von Hartz IV betroffen sei.
In der
Öffentlichkeit wurde vielfach diskutiert,
inwieweit eine mangelhafte Informationspolitik über Hartz IV zu den
Protesten
führte. Um ein Bild über den Kenntnisstand der Protestierenden zu
ermitteln,
wurden zwei Wissensfragen gestellt. Die Frage, welche Parteien Hartz IV
im
Bundestag verabschiedet hatten, konnten nur 53 % der Demonstrierenden
für alle
Bundestagsparteien richtig beantworten. Zu dieser hohen Quote hat
hauptsächlich
die Fehlwahrnehmung des Abstimmungsverhaltens der FDP-Fraktion
beigetragen.
Immerhin knapp 39 % der Befragten gaben an, dass die FDP der Hartz IV
Reform im
Bundestag nicht zustimmte. Zudem nahmen 17 % der Befragten an, die
CDU/CSU-Fraktion hätte der Hartz IV-Reform nicht zugestimmt.
Bessere
Kenntnisse hatten die Demonstrierenden über
die konkrete Ausgestaltung der HartzIV-Reform für die Betroffenen. Die
Frage,
ob im Rahmen von Hartz IV auch die Kosten für eine "angemessene"
Unterkunft und Heizung übernommen werden, beantworteten knapp 72
Prozent der
Befragten mit „ja“ und damit korrekt. Aber dieses Ergebnis lässt sich
auch
negativ interpretieren: Immerhin ein Viertel der Befragten war nicht
oder falsch
darüber informiert, dass ihnen eine wesentliche Leistung im Rahmen des
Arbeitslosengelds II zusteht.
3.
Einstellungen zu Agenda 2010,
Hartz IV und den politischen Positionen der Parteien
zu Hartz IV
Es ist nicht
überraschend, dass die Mehrheit der
Demonstrierenden eine fundamentale Kritik am Reformkurs der Agenda 2010
im
Allgemeinen und an Hartz IV im Besonderen äußert. Keiner politischen
Partei -
außer der PDS – wird eine befriedigende oder ausreichende politische
Position
zu Hartz IV bescheinigt. Über drei Viertel der Befragten widersprachen
der
Aussage, dass der generelle Reformkurs der Agenda 2010 richtig sei.
Hingegen
stimmten nur knapp 8 % derselben Aussage explizit zu.
Sehr ähnlich
verhält es sich mit der Ablehnung
speziell von Hartz IV. Selbst kräftige Nachbesserungen wären ca. 28 %
der
Befragten nicht ausreichend, um die Reform zu akzeptieren. Diese
Bewertung der
Demonstrierenden steht im deutlichen Kontrast zur Meinung der
Gesamtbevölkerung. Dem Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen
zufolge
hielten Ende August immerhin 46 Prozent der Befragten die Hartz
IV-Reform für
„eher richtig“.1
[1
URL: http://www.forschungsgruppe.de/Aktuelles/PB_Meldung/]
Vor dem
Hintergrund der fundamentalen Kritik an
Hartz IV fällt auch die Bewertung der unterschiedlichen Positionen der
politischen Parteien zu Hartz IV durchweg negativ aus. Einziger
Gewinner ist
hierbei die PDS. Die Befragten in den vier Städten waren mit der
Position der
PDS zu Hartz IV deutlich zufriedener als mit den Positionen anderer
Parteien.
Werden die
Befragten nicht nach Städten, sondern
nach ihrer Herkunft aus den alten oder neuen Bundesländern
unterschieden, zeigt
sich ein deutlicher Unterschied in der Zustimmung zur PDS. Rund 43
Prozent der ostdeutschen
Befragten
bewerteten die Hartz IV-Position der PDS mit „gut“ oder „sehr gut“.
Eine
gleiche Bewertung nahm hingegen nur ein Viertel der westdeutschen
Befragten
vor. Hierbei ist zu erwähnen, dass in Leipzig und Magdeburg fast
ausschließlich
Ostdeutsche, in Dortmund ebenso fast ausschließlich Westdeutsche an dem
Protest
teilnahmen. Die Ausnahme bildet Berlin, wo 44 Prozent der Befragten im
Westen
aufwuchsen.
Für ihre
Positionen zu Hartz IV wurden die
etablierten Parteien in Ost und West von den Befragten ähnlich
eingestuft wie
die rechtsradikalen Parteien NPD und DVU. Bemerkenswert ist, dass die
Oppositionsparteien CDU/CSU und FDP hierbei geringfügig schlechter
abschnitten
als die auf Bundesebene regierenden Parteien SPD und Grünen.
4.
Allgemeine politische Einstellungen
und Wahlverhalten
In einem
abschließenden kurzen Analyseteil sollen
allgemeine politische Einstellungen und Verhaltensweisen der
Protestierenden
beleuchtet werden. Aus der Fülle möglicher Befunde werden lediglich
einige
wenige herausgegriffen.
Die Befragten
wurden mit einer Reihe von Aussagen
konfrontiert, zu denen sie jeweils ihre Zustimmung oder Ablehnung auf
einer
5-Punkte-Skala äußern konnten.
Der Aussage, „Die
Demokratie ist die beste
Staatsform“, stimmten - bei einer Zusammenfassung der Werte für
Zustimmung und
volle Zustimmung - besonders viele Demonstranten in Dortmund (78 %) zu,
während
die Zustimmung an den drei übrigen Orten auf vergleichbarem geringeren
Niveau
blieb (zwischen 57 und 61 %). Werden
die Befragten danach aufgesplittet, ob sie überwiegend in den alten
oder den
neuen Bundesländern aufgewachsen sind (Berlin stellt wie erwähnt einen
Mischfall dar), so fällt die Zustimmung in den alten Bundesländern mit
rund 68
% höher aus als in den neuen Ländern mit 58 %.
Entsprechend ist
auch die Ablehnung dieser Aussage
im Osten höher als im Westen. Bei der Aussage, „Sozialismus ist eine
gute Idee,
die schlecht ausgeführt wurde“, liegt die Zustimmung am höchsten in
Magdeburg
(rund 72 %) und am niedrigsten in Dortmund (58%). Bei der Aufsplittung
nach
West und Ost zeigt sich ein markanter Unterschied zwischen der
Zustimmung im
Westen (rund 59 %) und im Osten (rund 75 %).
Die Aussage,
„Letztlich entscheidet die Wirtschaft
in unserem Lande und nicht die Politik“ findet in allen vier Städten
und etwa
gleicher Höhe in West und Ost eine hohe Zustimmung in der Größenordnung
von 81
% (Magdeburg) bis 87 % (Leipzig).
In den Diskussion
um Hartz IV waren auch die
Transferzahlungen von West nach Ost ein wichtiges Thema, zumal von den
„undankbaren Ossis“ und dem Osten als einem „Fass ohne Boden“ die Rede
war. Die
Aussage, „Der Westen engagiert sich im Osten ausreichend“ bejahte (mit
Zustimmung oder voller Zustimmung) ein kleinerer Anteil der
Demonstranten in
Leipzig und Mag-eburg (16 % bzw. 14 %), ein etwas höherer Anteil in
Berlin (21
%) und ein weitaus höherer Anteil in Dortmund mit 31 %. Bei den im
Westen
aufgewachsenen Demonstrierenden liegt die Zustimmung bei 29 %, bei
denen im
Osten bei einem nur halb so hoch (15 %). Diese Differenz spiegelt sich
entsprechend bei denen, die die Aussage eines ausreichenden Engagements
des
Westens völlig ablehnen. Dies ist bei den Ostdeutschen mit rund 36
Prozent ein
fast doppelt so hoher Anteil wie bei den Westdeutschen (17 %).
In der Forschung
zu politischen Einstellungen und
Werten wird häufig nach der Priorität unterschiedlicher Politikziele
gefragt.
In Entsprechung zu repräsentativen Umfragen wurden die Befragten
gebeten, vier
Ziele – Ruhe
und Ordnung, mehr Einfluss der Bürger auf politische Entscheidungen,
Kampf
gegen steigende Preise sowie Schutz des Rechts auf freie Meinung in
eine
Rangordnung zu bringen. Den klaren Vorrang der Ziele Einfluss und freie
Meinung
haben wir als Partizipationsorientierung gekennzeichnet. Davon gibt es
je nach
Prioritätensetzung stufenförmige Abweichungen. Die eindeutig
partizipationsorientierten
Befragten haben im Westen einen deutlich höheren Anteil (68 %) als im
Osten (52
%). Ein detailliertes Bild ergibt zeigt die Tabelle für alle vier Typen
und die
vier Städte:
Die Befragten
wurden zudem gebeten, sich anhand
einer 5-Punkte-Skala auf der Links-Rechts-Achse zu verorten. Dabei
zeigte sich
eindeutig eine Linkslastigkeit. Ganz links ordnete sich mit rund 48 %
ein sehr
hoher Anteil der Berliner Demonstranten ein, während die Anteile für
Leipzig
und Magdeburg mit 24 % bzw. 23 % und Dortmund mit 26 % deutlich
niedriger
ausfielen. Fasst man die ganz linken und linken Positionen zusammen, so
liegt der
Anteil der Linken in Berlin mit über 82 % an der Spitze, gefolgt von
Dortmund
(69 %), Leipzig (65 %) und Magdeburg (57 %). Sich ganz rechts
platzierende
Demonstranten fallen lediglich in Leipzig mit 3,3 % ins Gewicht und
fehlen in
Berlin fast völlig. Zu bedenken ist allerdings, dass die Polizei in
Dortmund
eine kleinere Gruppe von Rechten schon im Vorfeld abgedrängt hatte und
in
Magdeburg die Rechten nicht befragt werden konnten. Werden die
Kategorien „eher
rechts“ und „ganz rechts“ zusammengefasst, so ist der Anteil der
Rechten in
Leipzig und Dortmund am höchsten (8,3 % bzw. 8,2 %), gefolgt von
Magdeburg (6,2
%) und Berlin (3,9%).
Dramatisch sind
teilweise die Verschiebungen im
Wählerverhalten, wenn die letzte Bundestagswahl mit der Sonntagsfrage
verglichen wird („Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, welche
Partei
würden Sie wählen?“). Die SPD, die von rund 27 % der Protestierenden
aus den
alten Bundesländern gewählt wurde, stürzte auf einen Wert von 2,1 % ab.
In den
neuen Bundesländern erfolgt ein fast analoger Absturz von rund 21 % auf
0,6 %.
Sehr ausgeprägt
ist auch die Abkehr von den Grünen
bei Befragten aus den alten Bundesländern. Sie fallen im Westen von 21
% auf
3,8 % (Sonntagsfrage) zurück Die PDS würde mit Blick auf die
Sonntagsfrage in
Westen Zugewinne von 22 % auf 34 %, im Osten von 44 % auf 49 Prozent
verbuchen.
Der absolute Zugewinn der PDS läge also im Westen höher als im Osten.
Die NPD
würde von geringen Ausgangswerten unter den Demonstranten (West 0,3 %,
Ost 0,2
%) auf 2,6 % im Westen bzw. 2,4 % im Osten anwachsen.
Rechtsradikale
Parteien könnten somit bei einer
anstehenden Bundestagswahl unter den Demonstrierenden nur relativ
bescheidene
Zugewinne verbuchen, die deutlich unter den Zugewinnen bei den jüngsten
Landtagswahlen in
Brandenburg und Sachsen liegen. Insgesamt werden also die
Demonstrierenden
keineswegs von rechten Parteien in großem Umfang angezogen. Damit wird
ein
verbreitetes Vorurteil widerlegt.
Fazit
Versucht man
abschließend und grob vereinfachend den
typischen Hartz IV-Demonstranten zu charakterisieren, so gilt
Folgendes: Er
kommt er aus dem Osten, ist männlich, hat ein Alter von 50 bis 55
Jahren, ist in
einem unsicheren Arbeitsverhältnis oder arbeitslos, ist deutlich links
orientiert, betrachtet den Sozialismus als eine gute, aber schlecht
ausgeführte
Idee und tendiert am ehesten zur PDS. Entgegen der öffentlichen
Wahrnehmung
gibt es unter den Demonstrierenden gegen Hartz IV keine markannte
Hinwendung
zum rechtsradikalen Lager.
Mit diesem Typus
werden lediglich Tendenzen bzw.
Schwerpunkte bezeichnet. Es wäre also
falsch zu
behaupten, alle Demonstrierenden
entsprächen diesem Bild.
Und diese
Demonstranten werden die „LOGIK“ :„Es
ist ein sehr schlechtes Gesetz, aber auch wir werden es gut umsetzen!“
voll
akzeptieren ( ? ) Und deshalb bald von den (überflüssigen, weil nicht
ernst
gemeinten) Demos wegbleiben ( ! )
Oder doch
nicht ?
„Die Gedanken der herrschenden
Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken, d. h. die
Klasse, welche
die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich
ihre
herrschende geistige Macht. Die Klasse, die die Mittel zur materiellen
Produktion zu ihrer Verfügung hat, disponiert damit zugleich über die
Mittel
zur geistigen Produktion, so daß ihr damit zugleich im Durchschnitt die
Gedanken derer, denen die Mittel zur geistigen Produktion abgehen,
unterworfen
sind. Die herrschen-den Gedanken sind weiter Nichts als der ideelle
Ausdruck
der herrschenden materiellen Verhältnisse, die als Gedanken gefaßten
herrschenden
materiellen Verhältnisse; also der Verhältnisse, die eben die eine
Klasse zur
herrschenden machen, also die Gedanken ihrer Herrschaft.“ Karl Marx
/Friedrich
Engels : Die deutsche Ideologie; In : .MEW, Berlin 1962; Bd.3,S.46
D]
Bei den Anti-Hartz-Demonstranten
entstehen – aus vielerlei Gründen, aber auch unter Mit-verantwortung
der den
Protest nicht ausreichend inhaltlich mit klaren Alternativen
anreichern-den PDS
– neue Ohnmachtsgefühle. Sie werden frustrierter auseinandergehen, weil
die jetzige
und die Folgeregierung an der Politik sozialer Spaltung, Enteignung ,
Ausgrenzung und Um-verteilung festhält. Gestützt von der PDS in
Koalitionen,
die die Chance verpaßt hat, als Min-derheit
das Gewissen der Nation (Martin
Luther King) zu werden.
E]
Wer das Ausmaß der
allgemeinen Desillusionierung übersieht, täuscht sich über die
Dra-matik der
Ein-, Um- und Ausbrüche, die uns bevorstehen.
Die mit dem Beitritt der DDR durch die Treuhand begonnene und seit dem konsequent fort-gesetzte Ungleichwertigkeit der Lebensverhältnisse wird mit Hartz IV nun endlich auch juris-tisch-politisch allumfassend festgeschrieben. Insofern stützt der CDU-Bundespräsident mit ei-ner seiner jüngsten Äußerungen im Stile des ehemaligen IWF-Direktors die Politik der letzten 15 Jahre unter Kohl und Schröder.
Das angestrebte Ziel ist weniger die Zementierung des Ost-West-Gegensatzes, sondern die des Oben-Unten-Gegensatzes.
Der Osten ist dabei insofern besonders beteiligt, als er das Versuchslabor für die radikale Zurück-Veränderung der Gesellschaft in eine Oberklasse und eine Unterklasse und für die stabile Verschiebung des Kräfteverhältnisses zu Ungunsten der abhängig Beschäftigten ist.
Zwei Sprüche an der
Berliner Mauer : Alles wird besser, aber
nichts wird gut. Die Freiheit hab ich nicht
gefunden, vor oder hinter diesem Stein. Vielleicht ist die davon
geflogen, kommt wieder rein kann sein Eine gutgemeinte, aber
auch schon ein wenig hilflose Losung. Es sei denn, es ist
gemeint: mit anderen Ausgegrenzten und Ausgebeuteten Hartz IV ist keine
Arbeitsmarkt-Reform, sondern ein
Gesellschaftsveränderungs- und Kräfteverhältnisverschiebungs-Programm
Im
August konnte ich einen
Artikel und einen Leserbrief veröffentlichen. Sie lagen inhaltlich
etwas quer
und sind deshalb auch so zu lesen.
Am
30.9.gab es eine
Landtagssondersitzung zu Hartz IV (Ausführunsgesetz) in MV .
Zwei
Tage vorher mailte ich
an alle PDS-Landtagsabgeordneten:
Liebe Abgeordnete,
am Donnerstag stimmt ihr noch einmal über Hartz IV und den Anteil der PDS in MV daran ab.
Ich bitte Euch nach reiflicher Überlegung und mit großem Ernst und der mir per e-mail möglichen Nachdrücklichkeit:
Verweigert Euch diesem Gesetz. Es schadet der PDS kurz-, mittel- und langfristig.
Kurzfristig, weil nur ganz wenige den Spagat verstehen : Es ist ein schlechtes Gesetz, aber wir wer-den es gut umsetzen.
(Es ist ein Stück Demagogie, wenn uns suggeriert wird, wenn die PDS nicht das Nötige tut, bekämen die Betroffenen kein Geld)
Mittelfristig , weil das Verhalten der mitregierenden PDS die (momentan noch!) ungerichtete Unzu-friedenheit, das Unbehagen, die Wut, die diffuse Stimmung der Ängste und Besorgnisse großer Men-schengruppen auf die Mühlen und die Stimmzettel der Rechten, sowohl der ganz Braunen als auch der Schwarzen unter den Braunen leiten kann und wird.
Langfristig, weil die PDS mit ihrer Mitwirkung bei HartzIV alles andere tut, als „einen eigenständigen Beitrag für einen Richtungswechsel in der Politik hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit, Demokratie, Freiheit, Selbstbestimmung und ziviler Konfliktlösung“ zu leisten . Denn: „Dieses Ziel kann die PDS nur realisieren, wenn sie das strategische Dreieck von Widerstand und Protest, Mit- und Umgestal-tung, über den Kapitalismus hinausgehende Alternativen auszufüllen vermag.“ (Thesen zur Strategie der PDS ; Geleitwort von Lothar Bisky, 22.06.2004)
Liebe Abgeordnete, bitte prüft , welche Seite dieses Dreiecks hier bedient wird und welche nicht.
Ich bin mir nach ausführlicher Beschäftigung mit den Hartz-Gesetzen seit August 2002 völlig sicher, wenn ich feststelle:
HARTZ IV ist nackter, brutaler "Klassenkampf von oben" gegen die über 4 Millionen Arbeitslosen.
HARTZ IV ist nackter, brutaler "Klassenkampf von oben" gegen die noch Arbeit-Habenden (die mit diesem Gesetz gefügig gemacht werden sollen gegenüber den neuen Forderungen von BDI und BDA>>unbezahlte Überstunden / weniger Kündigungsschutz/ verlängerte Arbeitszeit usw.),
HARTZ
IV ist nur für eine Seite nützlich: die "da oben", die Reichen und
Einflußreichen und ihre Parteigänger in Parlamenten, Medien usw.
Bitte
prüft Euer Gewissen.
Nur
ihm seid ihr laut Verfassung rechenschaftspflichtig.
Peter
Kroh
Wahlkreismitarbeiter
60
Jahre alt
ohne Ambitionen auf Ämter/Funktionen/Mandate
Als
Ergänzung schickte ich
der mail zwei Artikel aus der „jungen Welt“ hinterher:
In der Ausgabe vom
27.9.2004 hieß es :
Der gläserne
Mensch im Schnüffelstaat »Hartz IV«:
Sozialamt,
Arbeitsagentur, Finanzamt: Alle schnüffeln ab 2004 in den persönlichen
Verhältnissen der Bürgerinnen und Bürger. Ausgenommen sind Vermögende *
Gleichzeitig mit dem »Hartz IV«-Gesetz tritt
ein
engmaschiges Überwachungssystem in Ak-tion. Durchleuchtet werden aber
nicht nur
Arbeitslosengeld-II-Bezieher, ihre Kinder, Ehe- und Lebenspartner. Auch
alle
Rentner und alle Inhaber von Bankkonten werden von neu ge-schaffenen
Zentralstellen erfaßt.
Bereits seit 1999 konnten Arbeits- und
Sozialämter
erfahren, ob die Bezieher von Arbeitslo-sengeld und Arbeitslosen- sowie
Sozialhilfe ihren Banken Freistellungsaufträge erteilt haben. Die Ämter
können
das beim Bundesamt für Finanzen in Bonn abfragen. Dieser
nachgeordne-ten
Behörde des Bundesfinanzministeriums müssen seit 1999 alle 2 900
Geldinstitute
in Deut-schland die Freistellungsaufträge ihrer Kunden melden
(Einkommensteuergesetz, Paragraph 45 d). Solche Aufträge kann man der
Bank dann
erteilen, wenn man Geld anlegt
und sich bis zur Freigrenze von 1 421 Euro vom automatischen
Abzug der Quellensteuer befreien will.
Bisher erfahren die Sozial-, Arbeits- und Finanzämter allerdings nur
die
Tatsache, daß jemand einen solchen Auftrag oder auch bei verschiedenen
Banken
mehrere Aufträge erteilt hat. Über die Menge des angelegten Geldes und
die Höhe
der Gewinne erfuhren die Ämter bisher nichts, aber sie hatten einen
Anhaltspunkt, um weiter nachzuforschen.
Vom
»Antiterrorkampf« ...
Diese Regelung
wurde 2002 erweitert. Nach der Terroraktion vom 11. September 2001 in
New York
richtete die Bundesregierung auf einen Wink des großen Bruders von
jenseits des
großen Teichs eine neue zentrale Erfassungsstelle ein: die
»Konten-Evidenz-Zentrale« (KEZ). Sie ist ebenfalls im Bundesamt für
Finanzen
untergebracht, und zwar in der zugehörigen Bun-desanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Bonn. Die Geldflüsse von
Terroristen
sollen überwacht, Gelder sollen eingefroren und eingezogen werden
können.
Deshalb müssen alle Geldinstitute seitdem der KEZ über eine
Computer-Schnittstelle online jederzeit alle In-formationen über alle
Konten
und Depots von aller Bankkunden bereithalten (Kreditwesen-gesetz – KWG
–
Paragraph 24 c).
Die Abfragen durch die Behörden bei der KEZ
gehen so
vor sich, daß nicht nur die Kontenin-haber, sondern auch die Banken
nichts
davon bemerken. Die zugänglichen Daten bestanden zunächst nur aus den
»Stammdaten«: Name und Adresse des Konteninhabers, sein Geburtsda-tum
und die
Art seiner Konten. Einzelne Geldbewegungen und der Kontostand gehörten
nicht
dazu. Die BaFin gibt an, daß sie in den ersten neun Monaten über ihre
KEZ bei
den Banken 16 700 Abfragen getätigt hat, die überwiegend durch die
Polizei
angestoßen wurden.
… zur
Kontrolle der
Arbeitslosen
Das für die
Bekämpfung des Terrorismus eingerichtete Instrumentarium wurde zwanglos
auf
weitere Bereiche ausgeweitet. Man könnte durchaus vermuten, daß der
»Terrorismus« ohne-hin nur ein Vorwand war. Jedenfalls beschloß die
Bundesregierung Ende 2003 verschärfte Kontrollen, um die
Kapitaleinkünfte aller
Steuerpflichtigen zu erfassen und genauer zu be- steuern als bisher.
Anlaß war das »Gesetz zur Förderung der
Steuerehrlichkeit«: Mit Hilfe einer Steueramnestie wollte die
Bundesregierung
mehrere hundert Milliarden Euro Fluchtgelder nach Deutschland
zurückholen, die
im Laufe des letzten Jahrzehnts durch vermögende Geldanleger in
Finanzoa-sen
wie Luxemburg, Liechtenstein und der Schweiz gebunkert wurden. Dafür
wurde das
ans-onsten so geheiligte »Bankgeheimnis« ausgehebelt, freilich über
einen
scheinbar eleganten Umweg. Die 2 900 Geldinstitute sind nämlich seit
2004 verpflichtet,
allen Inhabern der etwa 500 Millionen Konten jährlich eine Aufstellung
über
alle Kapitaleinkünfte (Zinsen aus Spar-büchern und Bundesschatzbriefen,
Dividenden und Spekulationsgewinne aus Aktiengeschäf-ten u.ä.) auszustellen. Diese
»Erträgnisaufstellung« wird allen Kunden automatisch einmal im Jahr
zugeschickt
(Abgabenordnung – AO – Paragraph 93).
Der scheinbar elegante Umweg beim Bruch des
Bankgeheimnisses besteht darin: Die Banken melden die Kapitaleinkünfte
nicht
dem Finanzamt, sondern mit Hilfe der »Erträgnisaufstel-lung« dem
Kunden. Die
Finanzämter sind aber berechtigt, die »Erträgnisaufstellung« von je-dem
Steuerpflichtigen einzufordern. So wird dem Scheine nach das
Bankgeheimnis
gewahrt, das ja noch Gesetzeskraft hat (Abgabenordnung, Paragraph 30a).
Jetzt sind wir schließlich bei »Hartz IV«:
Die Daten
über Konten und Erträge, so beschloß die Bundesregierung termingerecht,
stehen
ab 2005 nicht nur den Finanzämtern, sondern nun auch den Sozialämtern
und der
Arbeitsagentur zur Verfügung, »wenn eigene Ermittlungen keinen Erfolg
versprechen« (Abgabenordnung, Paragraph 93, Absatz 8). So können die
Zahl-stellen für das Arbeitslosengeld II nicht nur alles über die
Konten und
Erträge der Leistungs-empfänger erfahren, sondern auch über die Konten
der
Kinder, Ehepartner, Lebensgefährten und Mitbewohner.
Diese Menschen gehören zu der
»Bedarfsgemeinschaft«,
deren Einkommen und Vermögen zum Nachweis der Leistungsberechtigung mit herangezogen werden
und über die der Arbeits-lose bzw. der Sozialgeldempfänger nun im
16seitigen
Fragebogen Auskunft geben muß. Dazu muß er oder sie im »Antrag auf
Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem zweiten Sozialgesetzbuch –
Arbeitslosengeld II/Sozialgeld« das Zusatzblatt 3 »Zur Feststel-lung
des zu
berücksichtigen Vermögens« ausfüllen: Neben den eigenen Konten,
Sparbüchern,
Gemälden und Antiquitäten usw. eben auch die Konten, Sparbücher usw.
der
Kinder, des Ehepartners, des Lebensgefährten usw. Zur Ergänzung und
Kontrolle
können Sozialamt und Arbeitsagentur auf die Daten der KEZ zugreifen,
und zwar
ohne daß ein »Anfangsverdacht« gegeben sein muß: Der Bedürftige steht
gänzlich
nackt und durchsichtig vor seinem Wohltä-ter und merkt zudem gar nicht,
daß er
rundum ausgespäht wird.
Neue
Identifikationsnummer
Die Konten-Evidenz-Zentrale erhält durch ein
weiteres Großprojekt erst ihre durchschlagende Wirkung: Die neue
einheitliche
Identifikationsnummer. Zum schnelleren Datenabgleich ver-paßt das
Bundesamt für
Finanzen zentral jedem Steuerzahler in Deutschland eine solche Nummer.
Sie gilt
ab 1. April 2005. Daß es sich um einen Generalangriff mit neuer
Dimension
handelt, ist auch daraus ersichtlich, daß die Bundesregierung, die
beteiligten
Länderregierun-gen und die »staatstragenden« Parteien öffentlich über
das Großprojekt
nicht diskutieren. Gleichzeitig wird unter Hochdruck daran gearbeitet.
Die einheitliche Steuernummer gab es bisher
nicht.
Jeder Bürger, jedes Unternehmen be-kommt nun eine solche Nummer,
lebenslang.
Sie erlischt erst mit dem Tod. Damit werden al-le erfaßt, die direkte
Steuern
zahlen oder zahlen müßten: Einkommens-, Umsatz-, Gewerbe- und
Körperschaftssteuer. Es handelt sich freilich nicht nur um eine
Steuernummer.
Der Staat verfügt damit über ein Überwachungsinstrument, das dem
Innenministerium jahrzehntelang verweigert wurde, weil dem ja
»eigentlich« der
Datenschutz entgegensteht.
Die einheitliche bundesweite
Steueridentifikationsnummer wird in der Praxis zur allgemeinen
Bürger-Kenn-Nummer. Denn auf die Daten der KEZ haben eben nicht nur die
Finanzämter Zugriff, sondern auch die Zahlstellen des
Arbeitslosengeldes II,
also die Sozialämter und die Arbeitsagenturen, die Wohnungsämter usw.
Die Daten
müssen von den Banken und Ämtern täglich aktualisiert und zum
automatisierten
Zugriff bereitgehalten werden. Und das alles, ohne daß der Ausgespähte
und
selbst die jeweilige Bank etwas davon erfahren. Die Betroffenen müssen
über die
Datenerhebung und die Weiterleitung nicht unterrichtet werden, weil das
einen
»unverhältnismäßigen Aufwand« bedeuten würde.
Auch
Rentenmeldezentrale erfaßt
Doch auch damit nicht genug. In der
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) wird eine weitere
Erfassungs-
und Meldestelle eingerichtet. Sie hat noch keinen richtigen Namen,
sondern
heißt in den verschiedenen Gesetzen, als hätte man beim literarischen
Meister
der to-talitären Bürokratenherrschaft, Franz Kafka, nachgeschaut, immer
nur
»die zentrale Stelle«.
Auch sie hat eine Vorgeschichte. Zum 1. Januar 2002 wurde für die neue
privatfinanzierte Al-tersrente (»Riester-Rente« nach dem
Altersvermögensgesetz)
in der BfA zunächst die »Zen-trale Stelle für Altersvermögen« (ZfA)
eingerichtet (Finanzverwaltungsgesetz, Paragraph 5, Absatz 1, Nr. 18).
Diese
Zentrale ist seitdem in der BfA-Außenstelle in Brandenburg an der Havel
untergebracht.
2004 beschloß der Bundestag dann die
»nachgelagerte
Besteuerung« der Renten (Altersein-künftegesetz). Damit der Staat alle
Renten
erfaßt, um sie zu besteuern, wurde ein »umfassen-des
Mitteilungsverfahren«
eingeführt (Einkommensteuergesetz, Paragraphen 22 a und 81). Deshalb
müssen
seit 2004 alle gesetzlichen Rentenversicherungsträger,
landwirtschaftlichen
Alterskassen, berufsständischen und betrieblichen
Versorgungseinrichtungen,
Lebensversi-cherungsunternehmen und Pensionskassen und -fonds der ZfA
jährlich
von jedem Rentner und
jeder Rentnerin Familienname, Vorname, Geburtsdatum, Adresse sowie
Beginn, Ende
und Höhe des Rentenbezugs melden (»Rentenbezugsmitteilung«).
Verbunden ist diese Datenübermittlung
ebenfalls mit
der Identifikationsnummer (Abgaben-ordnung, Paragraph 139 b). Wenn das
betreffende Individuum als Steuerpflichtiger erfaßt ist, steht seine
Nummer
schon fest. Das Finanzministerium hat über das zugehörige Bundesamt für
Finanzen die Fachaufsicht über die ZfA, und zwar, wie es im
Bürokratendeutsch
so schön heißt, »im Wege der Organleihe« (Finanzverwaltungsgesetz,
Paragraph 5,
Absatz 1, Nr. 18). Die bei der ZfA gesammelten Daten dieses
Organhandels werden
zunächst dem Bundesamt für Finanzen, somit der KEZ weitergeleitet. Von
dort
gehen sie an die Landesrechenzentren, die mit den Finanzämtern der
jeweiligen
Bundesländer verbunden sind.
»Kumulative
Grundrechtseingriffe«
Das staatliche Schnüffel- und Meldesystem
richtet
sich ersichtlich zum allerwenigsten gegen diejenigen, gegen die es in
den
Vorphasen eingerichtet wurde: gegen Terroristen und betuchte
Kapitalflüchtlinge. Es betrifft auch nicht nur die Empfänger des
Arbeitslosengeldes II. Viel-mehr wird ein wesentlich größerer
Personenkreis
erfaßt: erstens alle Empfänger staatlicher Sozialleistungen, zweitens
alle
Rentner – auch solche, die Renten aus nichtstaatlichen Ein-richtungen
erhalten,
drittens alle Steuerpflichtigen. Durch Zentralisierung, einheitliche
Iden-tifikationsnummer und gegenseitige Amtshilfeverpflichtung entsteht
ein
tiefgestaffeltes Schnüffel- und Meldesystem, das den »gläsernen Bürger«
Wirklichkeit werden läßt, wie es ihn in Deutschland bisher zu keiner
Zeit gab,
auch nicht im Nationalsozialismus./1/
Dennoch ist dieses System nur scheinbar
einheitlich.
Das wird etwa deutlich anhand der EU-Zinsrichtlinie: Ab 1. Juli 2005
tauschen
22 EU-Staaten Informationen über Zinserträge von Ausländern aus. Damit
wird
angeblich die Steuerhinterziehung bekämpft. Doch die Informationen sind
hier
wesentlich geringer als in der »Erträgnisaufstellung«
deutscher Banken über deutsche Konteninhaber,
und die traditionellen Steuerfluchtstaaten Schweiz, Luxemburg,
Liechtenstein,
Österreich nehmen an dem Informationsaustausch überhaupt nicht teil.
Außerdem
werden nur Zinsen, also die altertümlichste Form des Kapitalgewinns,
erfaßt,
nicht jedoch Aktiengewinne, kumulierende Fonds, Gewinne aus Hedgefonds
und
Derivaten und andere moderne Gewinnformen. Zudem werden nur
individuelle
Privatkonten erfaßt. Wenn dagegen eine Luxemburger Bank, was seit
Jahren schon üblich
ist, für die zwei Millionen Euro eines vermögenden deutschen
Geldanlegers eine
Briefkastenfirma gründet, z.B. einen Trust in der britischen Finanzoase
Guernsey, dann werden deren Gewinne nicht erfaßt, selbst wenn es sich
um Zinsen
handeln sollte. Somit wird nur die absolute Unterklasse der Geldanleger
von der
neuen EU-Steuer erfaßt.
Gleichzeitig stimmt die Bundesregierung viel
weitergehenden Steuerfluchten Vermögender zu. So verlagert der
Rennfahrer
Michael Schumacher seinen Steuersitz in die Schweiz, dort wird nur ein
ausgehandelter Betrag von 250 000 Schweizer Franken besteuert.
Gleichzeitig
verzichtet das deutsche Finanzamt auf die Besteuerung der Einkommen
Schumachers
von jährlich schätzungsweise 100 Millionen Euro, obwohl Schumacher
deutscher Staatsbürger
bleibt. Entsprechendes gilt für eine wachsende Zahl weiterer Deutscher.
Diese
Regelung ist zugleich nur für Bürger möglich, die in der Schweiz ein
Einkommen
von mehreren Millionen nachweisen können.
Die Verletzung des Datenschutzes für die
Mehrheit –
Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und in die informationelle
Selbstbestimmung, Eingriff in das »Sozialgeheimnis« nach
Sozialge-setzbuch –
und der steuerliche Zugriff sind somit geprägt von sozialer
Ungleichbehandlung.
Weiter noch: Auf Einkommen und Vermögen der staatlichen
Leistungsempfänger und
»Nor-malverdiener« greift der Staat verschärft zu, weil er auf die
Einkommen
und Vermögen der besonders Vermögenden immer weniger oder gar nicht
mehr
zugreift.
Damit wird neben dem Persönlichkeitsrecht ein
weiteres
Grundrecht verletzt: die Eigentums-garantie. Mit dem Hinweis auf zu geringe
Steuereinnahmen greift der Staat in durch Eigen-leistung rechtmäßig
erworbenes
Eigentum ein: Nach »Hartz IV« steht das Arbeitslosengeld II erst dann
zu, wenn
vorher notfalls Eigentum – Eigenheim, Lebensversicherung, Sparbuch,
Bargeld,
Schmuck usw. – aufgezehrt wird. Der Bezugszeitraum des
Arbeitslosengeldes wird
auf ein Jahr verkürzt, selbst wenn durch jahrzehntelange Einzahlung
viel
weitergehende An-sprüche erworben wurden. Die ganze Dimension wird
zudem erst
deutlich, wenn alle gleich-zeitigen Einschränkungen (Kranken-, Renten-
und
Arbeitslosenversicherung) zusammen ge-sehen werden.
Eine Verfassungsklage wegen dieser
kumulativen
(gehäuften, mehrfachen) Grundrechtsver-letzung steht an. Dabei käme es
nicht
nur auf die rechtliche Prozedur an, sondern vor allem auf die
öffentliche
Diskussion und darauf, daß ein wachsender Teil der Bevölkerung seine
Rechte und
seine Würde einfordert.
1 Die gleichzeitig eingeführten Überwachungssysteme wie die
»Telekommunikations-Überwachungs-Verordnung (TKÜV, Erweiterung der
Überwachung
der Festnetztelefone auf die Handys mit Erfassung aller PIN- und
PUK-Nummern)
und die Krankenkassen-Chipkarte sollen hier nur erwähnt werden.
Am
28.9. wurde der Aufschrei
einer Frau veröffentlicht:
»Von der
Besatzungsmacht aussortiert«
jW
dokumentiert Auszüge aus einer Montagsdemo-Rede in Seelow (Brandenburg)
*
Aus der Rede
von Martina Dost auf der Montagsdemonstration vom 6. September in
Seelow
(Brandenburg).
Sie hatte dort eine Woche zuvor u. a. ein
Existenzminimum von 1600 Euro gefordert. Ihr wurde entgegnet, das sei
zuviel.
Wer bestimmt,
was zuviel ist? Wer sind wir denn? Wir sind nicht freiwillig
arbeitslos. Wer
hat nicht schon unzählige Bewerbungen abgeschickt? Ich weiß nicht mehr,
wo ich
mich noch bewerben soll. Wir haben – sofern wir in DDR-Zeiten lernten –
eine
gute Ausbildung erhal-ten, sind gestandene Fachleute, die von der
Regierung/
Besatzungsmacht aussortiert wurden, weil wir keinen Profit bringen.
Ich mußte mir in DDR-Zeiten als
alleinerziehende
Mutter auch meine Geldausgaben gut über-legen, aber ich hatte mein
Theateranrecht, jährlich Erholungsurlaub mit Tochter, Bücher,
Mal-zirkel,
konnte Freunde besuchen, weil Fahrgeld kaum ins Gewicht fiel, brauchte
mir um
mei-ne Existenz keine Sorgen zu machen. Jetzt weiß ich nicht, wovon ich
eine
neue Brille bezah-len soll. Ich würde gern was an meinen Zähnen machen
lassen,
suche seit Jahren einen schö-nen, bezahlbaren Wintermantel, muß mir die
meisten
Bücher verkneifen, ich überlege, gehe ich in diesem Quartal zum Arzt, lasse ich mir
lieber
kein Medikament verschreiben, werden sie mich aus der Wohnung werfen,
weil ich
mir mit 50 Jahren erstmals einen Arbeitsraum (Atelier zum Malen)
leistete, die
Gaspreise steigen schon wieder, im Januar sind die Fahr-preiserhöhungen
fällig,
... von Kultur und Besuchen bei Freunden kann schon keine Rede mehr
sein!
Ich habe diese Ausgrenzung bis obenhin satt,
dieses
eingeengte Leben – und daneben gibt es ja noch die Hauptausgrenzung,
die aus
dem Arbeitsprozeß. Jeder, der schon mal mit einer westdeutschen
Hausfrau zu tun
hatte, kennt den Grad der Verblödung dieser Spezies, selbst wenn sie
vor der
Ehe mal studiert hatte – diesen Grad werde ich aus Altersgründen nicht
mehr
erreichen, aber ich will menschlich und intellektuell weiterkommen.(...)
Und dazu kommt, daß ich auch noch von meiner
privaten und ehrenamtlichen Kommunika-tion und Betätigung in hohem Maße
ausgegrenzt werde, weil alles Geld kostet, das ich nicht habe:
Druckerpatrone –
40 Euro –, Telefon, Tageszeitung habe ich nicht mehr, Rundfunk konnte
ich
abmelden – aber nur, weil ich mir kein funktionierendes Radio leisten
kann! Ich
als Rundfunk-Journalistin, die begierig auf Nachrichtensendungen ist.
Ich habe
es satt. Ich möchte auch leben wie ein Mensch. Und was das
allerschlimmste ist
– ich sehe keinen Aus-weg, keine Perspektive. Am Wochenende bekam ich
wieder
zwei Ablehnungen, mein Leben ist in den letzten 13 Jahren von Grund auf
zerstört worden. Vielen geht es ebenso, die lassen die Gedanken
vorsichtshalber
nicht so tief zu, weil
es so schwer erträglich ist.
Es gibt eine wissenschaftliche Begründung von Karl Marx für die
angemessene
Höhe des Lohnes: Vom Arbeitseinkommen muß die Reproduktion der
Arbeitskraft
unter den üblichen gesellschaftlichen Bedingungen gesichert werden.
(...)
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Auf
meine mails antworteten
2 Abgeordnete, B.Schwebs und K.Neumann. Birgit schrieb:
Ach
Peter, Du nun wieder...
Du hast ja recht, aber warst Du nicht auf dem Parteitag in Pasewalk ?
Hat nicht
der Landesverband gesagt, wir machen, ja wir wollen sogar diesen
Spagat...Ist
es nicht so, daß ich mich an Beschlüsse des LPT zu halten habe?
Das ist es, was mich quält - der Widerspruch zwischen dem, was ich sehe
und
denke und fühle und dem, was mir meine Partei zumutet zu tun.
Nicht
die Führung - der spreche ich eine objektive Entscheidung über die
Problematik
Begleitgesetz zu Hartz ab... aber all die anderen, die auf dem
Parteitag waren
und die Anträge abgelehnt haben, die der Meinung sind, Sozialabbau soll
es auch
mit der PDS geben, macht nur weiter in der Fraktion...
Ratlose
Grüße
Birgit
Karsten
schrieb:
Lieber Peter,
was sollen denn diese
Beleidigungen? Kannst Du nicht einfach akzeptieren, wenn andere in
politi-scher
Verantwortung anders denken als Du? Und das auch "ohne Ambitionen auf
Mandaten" und im völligen Einklang mit meinem Gewissen? Ich bin
niemandem
verpflichtet, warum unterstellst Du das denen, die die Situation anders
einschätzen? Bist Du auch so weit wie Gerhardt Bartels, dass alle
diejenigen
keine PDS-Politik machen, die Deiner Meinung nicht folgen? Und dass
diejenigen
undemo-kratisch sind, die Mehrheitsentscheidungen respektieren? Und
entspricht
dies alles Deiner Verantwor-tung als Wahlkreismitarbeiter dieser
PDS-Fraktion?
Mit
freundlichen Grüßen
MdL Karsten
Neumann rechts- und
europapolitischer Sprecher / PDS-Landtagsfraktion
Mecklenburg-Vorpommern / stellv. Vorsitzender des Rechts- und
Europaausschusses
/ stellv.
Mitglied des Ausschuss
der Regionen
Lennéstr. 1,
19053 Schwerin /Tel.:
0385-525 2500 Fax.: 0385-525 4 2529 / mail.: k.neumann@pds.landtag-mv.de
Soviele Mißverständnisse machten eine Antwort unumgänglich. Ich mailte
Lieber Karsten,
gerne möchte ich auf Deine Fragen antworten.
Völlig fern liegt es mir jemanden zu beleidigen. Ich habe nicht schlecht oder falsch über Personen ge-sprochen und auch nicht hinterm Rücken falsch Zeugnis abgelegt und intrigiert. Da müßte man ja Be-leidigungen zuordnen. Vielmehr habe ich "aus meinem Herzen keine Mördergrube gemacht" und of-fen, direkt, ehrlich meine Gedanken über die Verantwortung für eine schlechte Sache dargelegt.
Der Nachsatz zu meiner
"Unterschrift" (Ambitionen...) sollte nur bekräftigen, dass es mir
nicht um ir-gendeinen persönlichen Anspruch oder um eine Zuordnung zu
einem der
berühmt-berüchtigten Rich-
tungs-Schubkästen geht, sondern allein um eine Entscheidung, die ich - nach gründlicher Überlegung und dem Hin- und Herwenden der Pro- und Kontra-Argumente - für einen Fehler in der Politik der PDS halte.
(Privat-intime Ergänzung: Ich mache mir seit Jahren den Vorwurf, zu falschen Entscheidungen meiner Partei in der DDR geschwiegen zu haben und habe mir fest vorgenommen, diesen Fehler möglichst wenig, wenn möglich gar nicht, zu wiederholen.)
Natürlich akzeptiere ich, dass andere anders denken als ich. Gerade deshalb suche ich ja nach Argu-menten. Nur sie können doch (wenn überhaupt) helfen, Meinungsverschiedenheiten zu mindern, evtl. zu beseitigen.
Nein, ich bin nicht so weit, wie nach Deiner Meinung G.B. ist. Natürlich macht ihr PDS-Politik, auch wenn ihr Euch von meiner Meinung Nullkommanull beeinflussen lasst. Aber diese Frage Deinerseits umgeht elegant meinen Hinweis auf das stategische Dreieck. Dort ist doch ein, wenn nicht der Maß-stab, oder ?
Mehrheitsentscheidungen sind zu respektieren, aber sie dürfen auch hinterfragt und gegebenfalls ge-ändert werden.
Eine etwas sehr weit hergeholte Erinnerung : Auch Hitler wurde durch einen formal korrekten demo-kratischen Mehrheitsbeschluß gewählt.
Eine etwas näher liegende Erinnerung: Am 15.8.2002 legte die Hartz-Kommission ihren 343-Seiten-Bericht vor Am 17.8.stimmte eine SPD-Parteikonferenz zu, am 18.8. der Vorstand von Bü90/Grüne. Am 20.8. das Bundeskabinett. Wer von diesen Teilnehmern hatte wohl die 343 Seiten in diesem Zeit-raum gelesen und verstanden. Im Bundestag wurden dann nur noch Eckpunkte diskutiert. Wie demo-kratisch war also das ganze Procedere in Wirklichkeit ?
Hinzu kommt die Frage : Müssen wir Demokratie nicht auch an Inhalten messen, oder gar zuerst da-ran? Übersetzt heißt Demokratie, wie wir beide wissen, Volksherrschaft.
Zu Deiner letzten, etwas drohend klingenden Frage zu meiner Person (nicht zur Sache, um die es mir geht!) möchte ich um der Korrektheit willen festhalten, ich bin nicht Mitarbeiter der Fraktion.
Mit freundlichen Grüßen
WKM Peter
Kroh
Am 30.9. stimmte der Landtag dem
Ausführungsgesetz mit den Stimmen von SPD und PDS zu. Eine
Landtagsabgeordnete
der PDS und ein fraktionsloser Abgeordneter enthielten sich der Stimme.
(ND,
1.10.04) .
Damit gab die PDS-MV „grünes Licht“
für ein Gesetz, dass sie für „verfassungsrechtlich be-denklich,
wirtschaftspolitisch kontraproduktiv und sozial ungerecht“ hält, weil
es „Armut
per Gesetz „ ist. Nun ist sie explizit an der Verwaltung der Armut
beteiligt.
Fast könnte
mir zum Lachen sein, wenn mir nicht zum
Heulen ist.